Rheinische Post Mettmann

Die Lust am Tabubruch

- VON SABINE GLAUBITZ UND GREGOR THOLL

In „ Jung und schön“geht es um ein Mädchen aus gutem Hause, das sich freiwillig prostituie­rt.

BERLIN (dpa) Mancher sprach angesichts dieser Handlung von einer modernen Fassung des Klassikers „Belle de Jour – Schöne des Tages“. Der inzwischen 50 Jahre alte Film von Luis Buñuel mit Catherine Deneuve als gelangweil­ter Ehefrau aus der Pariser Bourgeoisi­e, die freiwillig im Bordell arbeitet, brach damals einige Tabus. Vor inzwischen fünf Jahren donnerte der Regisseur François Ozon („8 Frauen“) diese Idee dann noch einmal auf. Wie wäre es mit einer Teenagerin, die sich gerne prostituie­rt?

Scheu und experiment­ierfreudig: Während der Sommerferi­en entdeckt die 17-jährige Isabelle die Liebe und lässt sich von einem jungen Deutschen verführen. Wieder zurück in Paris, fängt die eher schüchtern­e Studentin an, sich freiwillig zu prostituie­ren.

In „Jung und schön“zeichnet François Ozon die Geschichte eines jungen Mädchens aus gutem Hause nach, das nachmittag­s in Pariser Hotelzimme­rn Männerfant­asien befriedigt. Die Hauptrolle spielt Marine Vacth. Das französisc­he Starmanneq­uin war 2013 die große Entdeckung auf dem Festival in Cannes, wo das Erotik-Drama seine Premiere hatte.

Das Erstaunlic­he und für manchen vielleicht auch Schockiere­nde an dem Film: Ozons Isabelle verkauft ihren Körper ohne erkennba- ren Grund an ältere Männer. 300 Euro nimmt sie pro Treffen.

Isabelle braucht das Geld nicht, denn sie bekommt alles, was sie will. So stapeln sich die 100-Euro-Scheine im Schrank, bis ihre heimlichen Treffen nach dem Tod eines Kunden auffliegen. Ihre Mutter ist entsetzt und verzweifel­t. Die Frage, warum sie sich prostituie­rt, fällt ins Leere. Isabelle sperrt sich und schweigt. Der Zuschauer darf also kein Sozialdram­a, keine Abgründe, keinen Film über psychische Schäden er- warten. Vielmehr schildert der Film ein Jahr im Leben von Isabelle.

Ozon bleibt eine Antwort auf das Verhalten der jungen Frau schuldig. Prostituie­rt sie sich aus Lust am Reiz der Gefahr? Weil sie an dem außereheli­chen Verhältnis der Mutter leidet? Oder weil sie wissen will, wo ihre Grenzen liegen? Das bleibt offen und hat vielleicht deshalb umso mehr Wucht. Ozon geht in seinem Film auch nicht auf die düsteren Seiten von Prostituti­on ein. Er beschreibt distanzier­t die sexuellen Experiment­e der jungen Erwachsene­n, deren Erfahrunge­n als Freizeitpr­ostituiert­e sie recht unbeeindru­ckt lassen.

Manchen stören bei dem ErotikDram­a weniger die offenen Fragen als vielmehr der voyeuristi­sch wirkende Blick der Kamera. Dass der Film sehenswert ist, verdankt er vor allem Hauptdarst­ellerin Vacth – und Charlotte Rampling, die am Schluss auftaucht.

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FOTO: DPA Victor (Fantin Ravat) ist irritiert, weil sich seine ältere Schwester Isabelle (Marine Vacth) plötzlich anders verhält und auffällig schminkt. Dass sie sich prostituie­rt, ahnt er nicht.

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