Rheinische Post Mettmann

Wie Facebook sein Image aufpoliere­n will

- VON DANIEL FIENE

Das soziale Netzwerk fördert gesellscha­ftliches Engagement mit zehn Millionen Dollar.

LONDON Sie gilt als die mächtigste Frau der britischen Tech-Industrie. Seit 2013 leitet die ehemalige Werbe-Managerin Nicola Mendelsohn Facebook in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika. Bei der Eröffnung des „Facebook Communitie­s Summit“, einem Treffen mit rund 300 Gruppen-Organisato­ren aus ganz Europa, überrascht­e sie mit einer sehr persönlich­en Geschichte. Vor einem Jahr ist bei ihr unheilbare­r Blutkrebs diagnostiz­iert worden. Eine Facebook-Gruppe hat ihr Halt gegeben, damit fertig zu werden. „Sich mit anderen Betroffene­n auszutausc­hen, ist extrem wertvoll“, sagte Mendelsohn unserer Redaktion. „Ich treffe auf Menschen, die verstehen, wie ich fühle und welche Gedanken ich habe.“Viele der Anwesenden zeigten sich gerührt. Sie können ähnliche eigene Geschichte­n erzählen. Was die ehrenamtli­chen Betreiber der Gruppen eint: Sie wollen Gleichgesi­nnte zusammen- und weiterbrin­gen.

Die Gruppen gehören zum Erneuerung­sprogramm, das sich Fa- cebook für 2018 verordnet hat. „In diesem Jahr wollen wir uns nicht nur stärker darum kümmern, schlechte Inhalte auf der Plattform zu bekämpfen“, erklärte Chris Cox, im Facebook-Vorstand für Produkte zuständig, „wir konzentrie­ren uns auch auf Gruppen.“Cox stellte nicht nur eine Reihe von neuen Funktionen vor, mit denen Gruppen-Betreiber besser mit ihren Mitglieder­n kommunizie­ren können, er kündigte auch eine millionens­chwere Investitio­n an: Facebook will Gruppen mit einem gesellscha­ftlichen Anliegen mit insgesamt 100 Millionen Dollar (81,6 Millionen Euro) fördern. Es gibt beispielsw­eise 100 Stipendien, die mit je 50.000 Dollar dotiert sind. Fünf Gruppen-Administra­toren können sogar auf eine Million Dollar hoffen.

Facebooks Ziel: das Gemeinwohl zu stärken. Die Wette: Je mehr Menschen sich in Gruppen engagieren, von denen sie persönlich profitiere­n, desto besser wirkt sich das auch auf das Image von Facebook aus. Genau das steht nach wie vor weltweit unter Beschuss. Inzwischen kommt die Kritik vermehrt aus dem Heimatland. In die Reihe der prominente­n US-Kritiker hat sich zuletzt Schauspiel­er Jim Carrey eingereiht. Er deaktivier­te sein Facebook-Profil und kündigte den Verkauf seiner Facebook-Aktien an. Damit wolle er auf die unzureiche­nde Aufarbeitu­ng des Einflusses russischer Quellen im US-Präsidents­chaftswahl­kampf aufmerksam machen – zumal Facebook an den ausländisc­hen Werbeanzei­gen gut mitverdien­t habe, so Carrey.

Facebook-Mitarbeite­r ärgert es, dass die Plattform in Politik und Me- dien vor allem als Ort für Hassbotsch­aften, Falschnach­richten oder Katzenvide­os wahrgenomm­en wird. Unterstütz­ung bekommen sie von ehrenamtli­chen Gruppen-Verwaltern wie Stefanie Fassbender. Die Kölnerin betreibt eine Gruppe, in der Möbel für Flüchtling­e organisier­t werden. „Ich empfinde Facebooks Engagement als glaubhaft“, sagte sie, „Gruppen-Admins engagieren sich für andere sowieso. Ob sie von Facebook dabei unterstütz­t werden oder nicht, ändert nichts.“Ähnlich sieht es Mozamel Aman. In seiner Gruppe Devugees versucht er, Unternehme­n, die Entwickler suchen, mit Flüchtling­en zusammenzu­bringen, die von der Initiative trainiert werden.

Noch ist die Gruppen-Welt ein Nischenphä­nomen. Etwa 200 Millionen Facebook-Nutzer sind Mitglied in einer Gruppe, die Facebook als bedeutungs­voll einstuft. Hier hat das Netzwerk noch viel Arbeit vor sich. Das weiß auch Nicola Mendelsohn: „Mark Zuckerberg hat uns ein sehr ambitionie­rtes Ziel vorgegeben. Eine Milliarde Nutzer sollen über Gruppen erreicht werden.“

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FOTO: DPA Nicola Mendelsohn, Europa-Chefin bei Facebook.

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