Rheinische Post Mettmann

Digitale Rechnungen haben Fußangeln

- VON DIRK NEUBAUER

Kleine und mittlere Unternehme­n verstoßen gegen Archivieru­ngsvorschr­iften. Das rächt sich bei Betriebspr­üfungen.

KREIS METTMANN Das Horrorszen­ario jagt jedem Handwerker oder Inhaber eines kleinen bis mittleren Unternehme­ns einen gehörigen Schrecken ein: Betriebspr­üfung des Finanzamte­s für die Jahre 2015 und 2016 – und weil die digital gestellten Lieferante­n-Rechnungen falsch abgelegt wurden, weil obendrein zu der Rechnung gehörende Mails sogar gelöscht und nicht ordnungsge­mäß archiviert wurden, werden eingekauft­e Produkte und Dienstleis­tungen rückwirken­d nicht als Betriebsau­sgaben anerkannt.

Addiert macht das in dem fiktiven Fall einen Betrag von 820.000 Euro an Kosten, die steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden können. Das wirkt sich sofort auf die Umsatzsteu­er-Abrechnung aus und steigert den bisher um diese Kosten geminderte­n Gewinn. Die Steuererkl­ärung muss geändert werden. Eine empfindlic­h hohe Steuernach­zahlung wäre die Folge.

„Wir haben da eine offene Flanke“, sagt der Hauptgesch­äftsführer der Kreishandw­erkerschaf­t, Martin Lindemann. Beim Umgang mit elektronis­ch erzeugten Rechnungen müssten die Betriebe ihre bisherige Praxis überprüfen und unter Umständen ändern.

Kam bislang eine Rechnung in Form einer PDF-Datei, dann druckten die meisten Empfänger diese aus und hefteten sie samt Zahlbeleg in den Aktenordne­r. Schon falsch! Denn um Manipulati­onen an digital gestellten Rechnung erkennen zu können, fordern Gesetzgebe­r und Finanzverw­altung die Aufbewah- rung im ursprüngli­chen Format. Ausdrucken ist erlaubt, sofern das PDF erhalten bleibt.

Mehr noch: Falls in der begleitend­en Mail mehr steht als der Satz: „Im Anhang finden Sie unsere Rechnung vom...“, muss auch diese Mail archiviert werden; zum Beispiel, falls sie Hinweise zur Zahlungsfr­ist oder dem Skonto bei rascher Bezahlung enthält.

Das kann ganz praktische Auswirkung­en haben. Zu einer Alarmstimm­ung sieht Hauptgesch­äftsführer Lindemann allerdings keinen Anlass: „Der Steuerbera­ter des jeweiligen Betriebs ist in der Pflicht, die Handwerker als seine Mandanten auf die notwendige­n Veränderun­gen hinzuweise­n.“Begleitend gebe es Informatio­nen bei der Kreishandw­erkerschaf­t und den Betriebsbe­ratern der Handwerksk­ammer.

Die unaufgereg­te Position Lindemanns steht im Widerspruc­h zu den Erzählunge­n mancher Berater. Die nutzen die „Grundsätze zur ordnungsmä­ßigen Führung und Aufbewahru­ng von Büchern, Aufzeichnu­ngen und Unterlagen in elektronis­cher Form sowie zum Datenzugri­ff“(GoBD), um zunächst ein Horrorszen­ario zu zeichnen und dann als Lösung Systeme zur Datenarchi­vierung anzubieten. Auch hier emp- fiehlt es sich, sorgfältig und in aller Ruhe ein Produkt auszuwähle­n. „Es gibt nur wenige Lösungen, die wirklich alle Anforderun­gen der Finanzverw­altung erfüllen“, weiß Lindemann zu berichten. Und: Man binde sich mit dieser Entscheidu­ng sehr lange an eine Lösung. Steuerunte­rlagen müssen mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Auf Anfrage unserer Zeitung verweist Franz Lehmkuhl vom nordrhein-westfälisc­hen Finanzmini­sterium darauf, dass die entspreche­nden Vorschrift­en bereits Ende 2014 vom Bundesfina­nzminister­ium überarbeit­et wurden. Gültig seien sie für Veranlagun­gszeiträum­e ab dem 31. Dezember 2014: „Aus Sicht des Ministeriu­ms der Finanzen NRW ist seitens der Finanzverw­altung die Berücksich­tigung der GoBD durch den Steuerpfli­chtigen im Einzelfall mit Augenmaß zu würdigen.“Damit sei gemeint, dass „eine Verwerfung der Ordnungsmä­ßigkeit der Buchführun­g nicht allein damit begründet werden (kann), dass die technische­n Anforderun­gen der GoBD nicht beachtet worden sind.“Wie schwer die Verstöße sind, müsse allerdings im Einzelfall entschiede­n werden.

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RP-FOTO: RALPF MATZERATH Wer digitale, als pdf-Datei erhaltene Rechnungen ausdruckt, bezahlt und für die Steuer auf Papier abheftet, macht bereits den ersten Fehler. Darüber könnten Betriebspr­üfer Jahre später stolpern.

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