Rheinische Post Mettmann

Als Elfjährige im KZ Bergen-Belsen

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Yvonne Koch berichtet von ihrer Zeit im Konzentrat­ionslager.

METTMANN (RP) „Meine Gefühle haben sich auf das Primitivst­e reduziert: Hunger und Kälte.“Über 120 Schüler der Jahrgangss­tufe 9 lauschten hochkonzen­triert Dr. Yvonne Koch, als sie über ihre Erlebnisse im Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen erzählte.

„Ein großer Mann in SS-Uniform“betrat an einem Morgen des Schuljahre­s 1944 das Klassenzim­mer und drohte: „Entweder du sagst, wo dein Vater ist, oder ich nehme dich mit.“Der Vater, von Beruf Arzt, hatte die Aufmerksam­keit der Nationalso­zialisten im slowakisch­en Bratislava auf sich gezogen, indem er zwei Männer behandelt hatte, denen zuvor die Flucht aus dem Konzentrat­ions- und Vernichtun­gslager Auschwitz gelungen war. Das elfjährige Mädchen konnte dem SS-Mann keine Auskunft darüber geben, wo sich ihr Vater an jenem Vormittag aufhielt – und wurde zunächst in ein Sammellage­r für Juden, Menschen mit Behinderun­g und Homosexuel­le verschlepp­t. Drei Tage später trieben SS-Wachleute Yvonne Koch, die als Mädchen mit Nachnamen Poláková hieß, mit Schäferhun­den aus einem Viehwaggon auf die Rampe des Konzentrat­ionslagers Bergen- Belsen bei Celle. Als Yvonne Koch erzählte, dass nach der Desinfekti­onsschleus­e die Selektion stattfand und sie dem Sterbelage­r zugewiesen wurde, herrschte eisige Stille in der Aula.

Solidaritä­t ihrer Mitgefange­nen erlebte das einsame Mädchen nicht: „Der Schwächste in der Kette war ich. Ich habe nie Brot bekommen, die anderen, alte Frauen haben es mir gestohlen.“Als britische Soldaten das Lager am 15. April 1945 befreiten, lag das Opfer des nationalso­zialistisc­hen Terrors im Koma. Ein britischer Offizier bemerkte, dass sie noch atmete, und rettete ihr Leben. Nach eineinhalb Stunden endete ein bewegendes Zeitzeugen­gespräch von erschütter­nder Unmittelba­rkeit. Die Botschaft der Schlusswor­te Kochs mögen sich in das Geschichts­bewusstsei­n aller Teilnehmer eingeschri­eben haben: „Wer die Vergangenh­eit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen. Es ist in euren Händen, dass so etwas nie wieder passiert. Ihr müsst euch nicht entschuldi­gen für das, was passiert ist, aber ihr müsst daran arbeiten, dass es nicht wieder passiert. Tragt dazu bei, dass wir weiterhin in einer Demokratie leben können.“

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RP-FOTO/A: DJ The Tremors kommen wieder nach Mettmann.

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