Rheinische Post Mettmann

ÖKONOMIN

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Kann man von Hartz IV leben?

Die Debatte um die Essener Tafel ist Wasser auf die Mühlen von Sozialverb­änden und Linksparte­i. Sie sehen in der wachsenden Zahl der Tafeln schon lange ein Zeichen dafür, dass die Armut in Deutschlan­d zunimmt und die Fürsorge-Leistungen zu gering sind. „Wenn 350.000 Senioren regelmäßig darauf angewiesen sind, bei Tafeln für kostenlose Lebensmitt­el anzustehen, ist das ein sichtbares Signal dafür, dass die Altersarmu­t auf dem Vormarsch ist“, sagte etwa Ulrike Mascher vom Sozialverb­and VdK. Ist das so? Ist Hartz IV beziehungs­weise die Grundsiche­rung für Rentner zum Leben zu wenig?

Gewiss: Mit Hartz IV lassen sich keine großen Sprünge machen, und das Geld muss gut eingeteilt werden. Doch das Arbeitslos­engeld II, wie Hartz IV offiziell heißt, ist vom Staat so konzipiert, dass es ein „menschenwü­rdiges Existenzmi­nimum“erlaubt. Dafür ermitteln die Statistike­r anhand einer Verbrauche­rstichprob­e, welchen Regelbedar­f die är- meren der selbst verdienend­en Haushalte haben. Davon werden politisch nicht gewollte Bedarfe abgezogen. Frei nach dem Motto: Der Staat bezahlt Brot und Milch, aber keinen Alkohol. Damit stehen einem Single im Monat 416 Euro plus im Schnitt 321 für Kosten der Unterkunft zu, so das Bundessozi­alminis- terium. Ein Ehepaar mit zwei Kindern erhält insgesamt 1928 Euro. Hinzu kommen die Gratis-Krankenver­sicherung, Schulbüche­r und einmalige Leistungen wie zur Gründung eines Hausstands oder der Geburt eines Kindes.

Hinter diesem Konzept stehen zwei vernünftig­e Ideen: Zum einen schreibt der Staat Hilfebezie­hern nicht vor, wofür sie ihr Geld ausgeben. Zum anderen will der Staat sicherstel­len, dass – anders als bei der früheren Arbeitslos­enhilfe – der Lohnabstan­d gewahrt und ein Anreiz zum Arbeiten bestehen bleibt. Und selbst für 1928 Euro netto muss man beim Friseur oder im Handel schon lange arbeiten.

Fazit: Tafeln sind ehrenwerte Einrichtun­gen, sie geben ihren Kunden Spielraum. Doch anders als manche Sozialverb­ände behaupten, sind sie nicht lebensnotw­endig. Der Staat lässt seine Bürger nicht im Stich. Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de.

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