Prokops zweite Chance
Nach dem enttäuschenden neunten Rang bei der Handball-EM in Kroatien schien die Zeit des 39-Jährigen ungeachtet des Vertrags bis 2022 abgelaufen. Aber der DHB hält an ihm fest. Gegen Serbien folgt die erste Nagelprobe.
DORTMUND „Hallo, auch von meiner Seite.“Ein Spruch, den Christian Prokop gerne zu Beginn einer Pressekonferenz von sich gibt. So auch diesmal in Dortmund. In der Westfalenhalle trifft die Handball-Nationalmannschaft am 7. April auf Serbien, drei Tage nach der Partie in Leipzig gegen denselben Kontrahenten. Und der 39-Jährige wird an der Seitenlinie stehen, wird Anweisungen geben an seine Spieler, die er ab Ostermontag vorbereiten wird. So selbstverständlich war dies nicht nach den enttäuschenden Auftritten bei der EM in Kroatien (Platz neun). „Die Zeit war nicht leicht“, sagt Prokop ehrlich. Die Familie, Freunde und Handballexperten hätten ihm geholfen.
Prokop, vor gut einem Jahr Nachfolger von Erfolgscoach Dagur Sigurdsson (EM-Titel 2016, OlympiaBronze 2016) und mit einem Vertrag bis 2022 ausgestattet, war für viele schon Geschichte. Der Deutsche Handballbund ( DHB) hielt allerdings an seinem Hoffnungsträger, den er für 500.000 Euro aus dem Vertrag beim Erstligisten DHfK Leipzig herausgekauft hatte, fest. Eigentlich wollte der Bundestrainer nicht mehr groß zurückblicken: „Wichtig ist es, dass wir einen Weg finden, um an die sehr erfolgreiche Zeit vor Kroatien anknüpfen zu können.“Doch die bitteren Tage der EM stoßen noch immer auf.
Eine „ehrliche Selbstreflexion“(Prokop), zahlreiche Gespräche mit den Spielern, von denen ungeachtet aufgetretener Disharmonien keiner nicht mehr mit ihm weitermachen wollte, und der Meinungsaustausch mit Experten wie Sportvorstand Axel Kromer bildeten die Basis für eine weitere Zusammenarbeit. Bi- lanz wird spätestens bei der WM im Januar 2019 in Deutschland und Dänemark gezogen, wenn die DHBAuswahl eine Medaille gewinnen soll. Dann sind auch die Spieler gefordert, die in Kroatien den Nachweis ihrer Klasse schuldig blieben.
Er habe die Kürze der Zeit unterschätzt, seine Vorstellungen umzusetzen, gab Prokop zu. „Wir haben zu wenig über verschiedene taktische Dinge und Vorstellungen der Mannschaft gesprochen“, übte er Selbstkritik. Die Spieler ans Optimum ihrer Leistungsfähigkeit zu bringen, das ist ihm in Kroatien nicht gelungen. Dies mit den besten deutschen Profis zu schaffen, ist sei- ne Aufgabe in den kommenden Wochen und Monaten. Die Abwehr, das Tempospiel und die Position in der Rückraummitte – vor allem in diesen Bereichen müssen Verbesserungen erreicht werden.
In Kroatien fehlte der Mann im Rückraum, der die Übersicht behält, das Spiel lenkt und im Idealfall auch noch Tore wirft. Gegen Serbien kehren die bei der EM-Endrunde wegen Verletzung fehlenden Mittelmänner Simon Ernst (Gummersbach) und Niclas Pieczkowski (Leipzig) zurück. Fabian Wiede (Berlin), auf den Prokop verzichtet hatte, darf wieder im rechten Rückraum ran. Für die diesmal nicht voll ein- satzfähigen Außen Tobias Reichmann (Melsungen) und Rune Dahmke (Kiel) erhalten der Magdeburger Matthias Musche und Tim Hornke (Lemgo) eine Chance. Nicht mehr dabei sind die Leipziger Bastian Roscheck und Maximilian Janke, deren Nominierung für Aufsehen gesorgt hatte. Paul Drux (Berlin) fehlt wegen eines Meniskusrisses.
„Ich hoffe, dass häufiger gelacht wird“, sagte Prokop mit Blick auf die Aufgaben, zu denen auch der Gewinn der Goldmedaille bei Olympia 2020 in Tokio gehört. Erfolge bringen Spaß. Die muss Prokop bei seiner zweiten Chance liefern – am besten schon gegen Serbien.