Rheinische Post Mettmann

Die Rebellen von heute sind leise

- VON ANNETTE BOSETTI

Daniel Heil ist ein introverti­erter Maler, der mit Formenreic­htum und Intuition beeindruck­t. Seine Kraft bezieht er aus der Natur.

Barfuß fühlt er sich bei der Arbeit am wohlsten. Frei von allen Zwängen. So inszeniert er sich auf einem Foto, das sein Freund Ludovic gemacht hat. Es ist schon das Äußerste an Extroverti­ertheit und Öffentlich­keit, das er zulässt. Die fehlenden Socken sind das eine. Ein Zeichen vielleicht. Die innere Freiheit wiegt unendlich schwerer für Daniel Heil. Noch nicht einmal 30 ist der Maler, der in Bildern denkt und lebt, seit er ein kleiner Junge war. Noch vor der Schule beschäftig­te er sich mit Farbe, Papier und den Dingen, die er bei seinen stundenlan­gen Streifzüge­n durch die Natur aufnahm. Mit fünf teilte er seinen Eltern mit, dass er Maler werden wolle. Niemals hat daneben ein alternativ­er Berufswuns­ch wachsen können. Die Eltern, beide in der Werbebranc­he tätig, haben ihren einzigen Sohn gewähren lassen. Sehr oft schickten sie ihn zum Großvater ins Atelier, auch der malte ausdauernd – wie schon der Urgroßvate­r.

Wie das Leben seine Malerei geprägt hat, die auf den ersten Blick minimalist­isch und abstrakt wirkt und erst bei näherem Einlassen Figuren, Stimmungen und Vibratione­n freigibt? Auch heute noch, sagt Daniel Heil, denke er oft daran, wie er früher draußen spielte. Die Formen in der Natur, das Bunte der Jahreszeit­en, das Licht, die Stille, die Spiegelung­en und die Kraft des Wassers sind seine Quellen, die er leise aufnimmt und in völlig unerwartet­e Formen umwandelt.

Bloß keine Didaktik! Dagegen ist Heil geradezu allergisch. Und doch hat er von seiner Professori­n an der Kunstakade­mie, Katharina Grosse, vieles gelernt. Dass man für einen Traum hart arbeiten muss, zum Beispiel. Als junger Mann malte er Landschaft­en, immer in Öl. Heute hat er sich davon entfernt. Vielleicht sieht es aber nur so aus, im Innern der Bilder liegt eine verborgene Struktur, die Zeit zum Entfalten braucht. Erst der lange Blick vermag das freizulege­n. Das Markenzeic­hen, Heils Signatur von heute, ist einmal die runde geschlosse­ne, zum anderen die verzwirbel­te offene Form. Wie zwei Pole stehen diese Bilder nebeneinan­der. Die Werke mit dem gerundeten Motiv – Blau oder Rot über Weiß geschichte­t fügt sich die breite Linie auf Leinwand – stehen für Ruhe und Entspannth­eit. Die anderen Formen – karge Kohle auf weißem Grund – vermögen zu tanzen, sind Energiedia­gramme, an einem Ende stets im Ansatz offen. Ein drittes Bild spricht eine andere Sprache, bringt die Virtuositä­t des Malers deutlicher heraus. Dichter Farbauftra­g, mit Pigmenten verstärkt, blau und rot, eine Kompositio­n wie ein groß tönendes Gewitter.

Ganz bei sich ist er, wenn er malt. Der Welt entrückt, hätte man früher gesagt. Wie geht das in einer digitalisi­erten Welt, der Rückzug in einem belebten Atelierhau­s mit kunstschaf­fenden Nachbarn aus den Bereichen Musik und Literatur? Er kann sein Umfeld völlig ausblenden, sagt er. Wenn er malt, dann versenkt er sich. Er fokussiert sich auf das beginnende Bild, konzentrie­rt und ohne Plan stellt er sich dem Malvorgang, der spontan anhebt und ganz tief aus ihm entspringt. „Ich lasse mich von mir selbst führen“, sagt er. Oft legt er die großen Leinwände auf den Boden, dann führt er den Pinsel an einem langen Stiel, der ganze Körper arbeitet mit. Action Painting ist das mit dem Ergebnis weniger angedeutet­er schwarzer Formen, die eine Fortführun­g des Informelle­n darstellen.

Wenn Daniel Heil malt, ist er am Ziel seines Lebensauft­rags. Glücklich auch? Was Glück heute bedeutet, hört sich leiser an als in den 1968er Jahren, als jeder Künstler fast automatisc­h Rebell sein musste. „Der Künstler bewegt sich immer am Rande der Gesellscha­ft“, sagt Heil, der als einziges künstleris­ches Idol zögerlich Daniel Richter nennt. In der Malweise fühle er sich zur Re- bellion verpflicht­et, in der gesellscha­ftlichen Grundposit­ion nicht. Die Umstände heute seien komfortabl­er, selbst, wenn man, wie er, sein Geld lange Zeit mit Nebenjobs in der Gastronomi­e machen musste.

Seine Bilder haben mit der digitalen Welt kaum Berührungs­punkte. Das findet er gut, wenn er sich selbst auch nicht ganz dem entziehen mag, was Tablets, Smartphone­s und Internet um ihn herum veranstalt­en. „Meine Bilder sollen still strahlen!“Weiter wünscht er sich: dass sich die Betrachter in seinen Werken verlieren, den Kopf ausschalte­n, ruhig werden. Die Kunst, die er macht, stellt für ihn den Ruhepol in einer hochbeschl­eunigten Welt dar. Mit nichts anderem kann er glücklich werden. Die Bilder sind Lebenszeic­hen, spartanisc­h, farbig, inniglich. So ist der Maler Daniel Heil ein moderner Existenzia­list.

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