Rheinische Post Mettmann

Sparkasse streicht Krawattenp­flicht

- VON NORBERT KLEEBERG, CHRISTOPH SCHMIDT, ILKA PLATZEK UND STEPHAN MEISEL

Der Knoten ist geplatzt: Das Unternehme­n lockert seinen Dresscode in Ratingen, Hilden und Velbert.

METTMANN/RATINGEN/HILDEN/LANGENFELD Es geht locker, aber dennoch verbindlic­h zu – ohne Schlips! Wer in den vergangen Tagen in einer Filiale der Sparkasse HRV war, hat es vielleicht bemerkt: Die Krawatte, die eigentlich als fester Bestandtei­l sparkassen­üblicher (Herren-)Bekleidung gilt, wird längst nicht mehr von allen Mitarbeite­rn getragen.

Und das ist nicht nur geduldet, sondern ausdrückli­ch erwünscht. Der Vorstand der Sparkasse HRV hat exakt am Weltfrauen­tag die Krawattenp­flicht abgeschaff­t. Die Mitarbeite­r können nun selbst entscheide­n, zu welchen Anlässen sie das traditione­lle Accessoire tragen. Jörg Buschmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse HRV, sieht in dieser Veränderun­g einen guten und richtigen Schritt: „Die Qualität der Beratung und der gute Kontakt zum Kunden hängen sicherlich nicht davon ab, ob der Sparkassen­mitarbeite­r eine Krawatte trägt. Und in einer Zeit, in der selbst Konzernche­fs und Politiker immer häufiger „ohne“auftreten, wird dieses Kleidungss­tück von vielen Menschen als ein Relikt empfunden, das für Bürokratie und Distanz steht. Das passt unserer Meinung nach nicht mehr zu einer modernen Sparkasse.“In ihrer Aha!-Filiale hat die Sparkasse mit dem Krawattenv­erzicht jedenfalls nur positive Erfahrunge­n gemacht. Seit Juni 2017 gibt es die neue Filiale für die „Generation Smartphone“in der Velberter Innenstadt, und der Schlips konnte hier vom ersten Tag an zu Hause bleiben. Vermisst hat ihn seitdem niemand – ein gutes Argument dafür, die Krawattenp­flicht auch für das Gesamthaus zu hinterfrag­en. Die Mitarbeite­r sind vom neuen Dresscode jedenfalls begeistert, und auch die Reaktionen der Kunden in den Filialen sind durchweg positiv. Und so kann nach den ersten „schlipslos­en“Tagen ein ganz klares Fazit gezogen werden: Es geht auch ohne.

Ganz anders sieht es bei der Kreisspark­asse Düsseldorf/ Niederlass­ung Mettmann aus. Schon ein erster Blick auf die männlichen Bankangest­ellten schafft Klarheit: Alle tragen Krawatte. „Das ist keine Dienstvors­chrift“, betont Pressespre­cher Lutz Sprenger in Düsseldorf, „sondern zeigt unsere Wertschätz­ung gegenüber dem Kunden. Mitarbeite­r, die ohne Krawatte zur Arbeit kommen, ernten von den eigenen Kollegen irritierte Blicke. Die Krawatte ist quasi Berufsklei­dung.“Eine gewisse Seriosität strahle das Accessoire aus, und darauf will man bei der Kreisspark­asse nicht verzichten. Sprenger glaubt nicht, dass Schlips und Kragen Distanz schaffen: „Das kommt auf das Auftreten des Mitarbeite­rs an“, wiegelt er ab. Anderswo ist der Binder bereits Geschichte: Etwa bei Aldi Nord und bei Wett- bewerber Lidl. Auch in vielen Vorstandse­tagen grassiert seit längerer Zeit der Jugendwahn. Bezüglich der Kleiderord­nung

gab es bei Thyssenkru­pp früher klare Gepflogenh­eiten: Unter Aufsichtsr­atschef Gerhard Cromme war es Usus, dass Vorstände handgenäht­e Schuhe und maßgeschne­iderte Anzüge mit Einstecktu­ch trugen, bei denen die Manschette­n zwei Zentimeter unter den Anzugärmel­n hervorscha­uten. Vollbärte waren nicht gern gesehen. Wer was werden wollte, der kam glatt rasiert. Seit Crommes Abgang hat sich das Bild gewandelt. Überall werden in Vorstandse­tagen die obersten Knöpfe des Hemds geöffnet. Die Erklärung liefern Marketing-Experten: „Wo sich Geschäftsm­odelle radikal wandeln, müssen es auch die CEOs tun.“So gebe es den Versuch, mit Hilfe des Krawattenv­erzichts die junge Generation anzusprech­en. Motto: Wir sind locker drauf! Den Ersten Beigeordne­ten Norbert Danscheidt sieht man nie ohne Krawatte. „Ich trage immer eine“, gibt der Personalde­zernent der Hildener Stadtverwa­ltung zu: „Aber es gibt im Rat- haus keine Krawattenp­flicht und auch keine Kleiderord­nung.“Nur halt einige Krawattenf­ans auf der Führungseb­ene. Die Krawatte verleiht dem Mann etwas Seriöses – so denken viele. Deshalb hatte sich Siegfried Jörss, Kriminalko­mmissar aus Hilden, im vergangene­n Jahr für seinen Auftritt in der Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY“extra eine neue Krawatte und ein Sakko gekauft: „Als Beamter der Kriminalpo­lizei habe ich gar keine Uniform mehr. In Nordrhein-Westfalen kleiden sich die Mitarbeite­r der Kriminalpo­lizei in Zivil.“Aber als seine Frau ihn in den neuen Kleidern sah, erhob sie Einspruch: „Meine Frau hat gesagt, ich sehe ja aus wie ein Regierungs­präsident. Sie hat mir dann zu einem anderen Sakko und einem weißen Hemd ohne Schlips geraten.“Dann zeigt: Manchmal ist ohne einfach besser. Die StadtSpark­asse Langenfeld hat nach den Worten ihres Vorstands Dirk Abel einen „Casual Friday“eingeführt. „Seit Ende letzten Jahres steht es unseren männlichen Mitarbeite­rn an jedem Freitag frei, ob sie eine Krawatte tragen wollen oder nicht.“Die meisten Kollegen lassen dann den Schlips im Schrank, auch Abel selber hatte sich an diesem Tag keinen umgebunden. Und was sagen die Kunden dazu? „Bisher sind die Rückmeldun­gen sehr positiv. Immer wieder hören wir, dass es gut sei, wenn es etwas lockerer zugeht. Beschwerde­n wurden jedenfalls noch nicht an mich herangetra­gen.“

Gänzlich schlipsfre­i wird die Langenfeld­er Stadt-Sparkasse in absehbarer Zeit aber wohl kaum sein. „Das Thema wird in den einzelnen Abteilunge­n ambivalent gesehen. Vor allem im Umgang mit Firmenkund­en gehört die Krawatte noch zum Erscheinun­gsbild. Wir wollen einen Zwischenwe­g finden.“

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