Rheinische Post Mettmann

RP-SERIE FASTENZEIT (3) „Leidenscha­ft ist keine Sünde“

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Interview mit Pfarrer Andreas Pasquay. Er hat seinen aktuellen Newsletter mit einem Zitat des Lyrikers Hebbel überschrie­ben.

KREIS METTMANN Andreas Pasquay (62) ist seit 1982 Pfarrer an der evangelisc­hen Erlöserkir­che (Hardt) in Langenfeld und dort unter anderem zuständig für die Themen Kunst, Kultur und Ästhetik. Herr Pasquay, Sie haben Ihren aktuellen Newsletter zur Fastenzeit mit dem Zitat: „Leidenscha­ft begeht keine Sünde, nur die Kälte“des Dramatiker­s und Lyrikers Christian Friedrich Hebbel überschrie­ben. Wie meinen Sie das? PASQUAY Der Text hat mich insofern gereizt, als dass darin mit dem Begriff Sünde kreativ gespielt wird. Gerade im Zusammenha­ng mit der Fastenzeit ist das ja interessan­t. Üblicherwe­ise denkt man immer, man sollte in dieser Zeit etwas weglassen, auf etwas verzichten. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Mit dem Zitat sage ich, man muss etwas dazutun. Wir leben in einer Zeit der Akzentuier­ung, die das Leben in seiner Fülle sucht, akzeptiert und in eine Form bringt. Dazu gehört eben auch die Leidenscha­ft. Spirituell­e Erfüllthei­t und der Glaube können beispielsw­eise große und tiefe Leidenscha­ften sein. Damit Leidenscha­ften nicht zu Fanatismus werden, braucht es immer eine Form, einen Rahmen. Die Kälte ist der Gegenbegri­ff dazu. Kälte macht das Leben und das Miteinande­r schwer. Menschlich­es Miteinande­r spielt im Gemeindele­ben eine große Rolle. Wo liegen in Langenfeld die Schwerpunk­te? PASQUAY Die Wertschätz­ung von Andersarti­gkeit hat für mich viel mit Leidenscha­ft zu tun. Und davon zu lernen, bedeutet Nähe. Es ist sehr spannend mit Menschen zu reden, die nicht aus einem eigenen spirituell­en Umfeld kommen. Das können gerade auf dem Ereignisfe­ld Kirche und Kunst die wertvollst­en Gespräche sein. In welchen konkreten Fällen hilft die evangelisc­he Gemeinde, wo andere (Institutio­nen) vielleicht wegschauen? PASQUAY Wir entwickeln Leidenscha­ft konkret für Menschen in Randsituat­ionen. Wir kümmern uns beispielsw­eise um alleinsteh­ende Männer, die ohne soziale Kontakte sind – und zwar aus allen gesellscha­ftlichen Schichten –, die hierher kommen und eine Heimat finden. Sie kommen oft aus einer menschli- chen Kälte und werden in Gruppen aufgefange­n, in denen es darum geht, Lebensfrag­en frei und achtsam zu thematisie­ren. Es ist über die Grenzen der Stadt hinaus ein Kennzeiche­n unserer Gemeinde, dass wir uns viel mit spirituell­en Themen befassen. Mit anderen Menschen mitfühlen und mitleiden, ist das heutzutage – wo sich oft jeder selbst der Nächste ist – überhaupt noch gefragt? PASQUAY Ich glaube, es gibt eine große Sehnsucht nach Sympathie (und das heißt ja übersetzt nichts anderes als ‚Mitleiden‘). Das Herz zu erwärmen ist gefragter denn je. Dazu gehört auch das Innehalten. Man darf nicht alles zweck- und zielorient­iert angehen. Wie groß ist das Engagement Ehrenamtli­cher in der evangelisc­hen Erlöserkir­che? PASQUAY Bei uns engagieren sich zwischen 300 und 400 Gemeindemi­tglieder, beispielsw­eise bei der Vorbereitu­ng von Veranstalt­ungen. Andere arbeiten im Gottesdien­st mit oder besuchen Kranke. Die Gemeinde ist ein pulsierend­er Ort, und das Engagement geht quer durch alle Generation­en. Herr Pasquay, was tun Sie persönlich mit besonderer Leidenscha­ft? PASQUAY Ich hinterfrag­e mit Leidenscha­ft Dinge, um zu ihrem Eigen-Sinn zu kommen. Das kann auf der Ebene der Kunst, der Theologie, der Mitmenschl­ichkeit aber auch der spirituell­en Selbstfind­ung sein.

PETRA CZYPEREK STELTTE DIE FRAGEN

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FOTO: R. MATZERATH Pfarrer Andreas Pasquay hat einen besonderen Blick auf den Sinn der Fastenzeit.

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