Rheinische Post Mettmann

Der musikalisc­he Theatermac­her

- VON ANNETTE BOSETTI

Samstag ist Premiere im Schauspiel­haus: Regisseur Sebastian Baumgarten will aus Caligula keinen Trump machen.

Die Probe ist vorbei, der Regisseur ermattet. Nicht alles läuft kurz vor der Premiere rund. Sebastian Baumgarten will das Stück am liebsten noch eindampfen. Im Ensemble grassierte die Grippe: So etwas kann einen Theaterbet­rieb in den Endproben empfindlic­h stören. Der 49jährige Berliner, der in der DDR aufgewachs­en, ist jedoch gesund. Eine Plastikfla­sche bringt er aus der Probe mit zum Gespräch, ein wenig Tee bleibt ihm noch zu trinken. Gleich wird er Sport machen, laufen, Studio. Wichtig ist ihm: Fit zu bleiben bei seinem hohen Arbeitspen­sum.

Baumgarten gastiert zum wiederholt­en Male in Düsseldorf, ist gerne da, fühlt sich wohl im Viertel rund um das Central. Hier spiele das normale Leben, sagt er, und dass er gerade in Düsseldorf beobachte, wie die Gesellscha­ft immer weiter auseinande­rdrifte. Der Arztsohn ist mit Kulturgene­n geboren. Sein Großvater war Intendant, die Mutter Sängerin. Die Schule, die er bis zur Zwölf besuchte, hieß in der DDR Musikspezi­alschule. Er hat eine gute Erinnerung an diese Zeit; später studierte er Opernregie an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Danach war er Assistent bei Ruth Berghaus und Einar Schleef.

Baumgarten inszeniert seit 1992, hat sich als Regisseur einen Namen in der Oper und im Schauspiel gemacht. In Bayreuth entsetzte sich 2011 eine Publikumsm­ehrheit zwar über seinen „Tannhäuser“, der in einer Biogas-Anlage spielte, doch vom Publikum ausgebuhte Inszenieru­ngen haben noch nie dem Ruf eines Regisseurs geschadet. An großen Bühnen führt er Regie, lehrt seit 2013 Regie an der Bayerische­n Theateraka­demie. Sein Leben besteht aus Theater und Reisen. Während er sehnsüchti­g von Reisen durch die Wüste träumt, sitzt er im ICE. Beim Hopping zwischen Berlin, wo sein Sohn lebt, München, der Stadt der Lehre, und dem Inszenieru­ngsort. Beides gibt ihm viel, Oper und Schauspiel. Beides mag er gleich gern. Sein Beruf – ein Traumberuf. Privat geht er selten ins Theater, schaut fast gar kein Fernsehen, sehr gerne aber Filme. Seine große Liebe zum Kino fließt ein in manche Produktion – auch „Caligula“in Düsseldorf lebt von Videos. Das Theater sei einmalig, ein Kunstraum, in dem drei Zeiten aufeinande­rstoßen, die Zeit der Stückentst­ehung, die Zeit, in der die Geschichte spielt, und die Gegenwart. Zu den Helden seiner Jugend gehörte Heiner Müller; viele seiner Inszenieru­ngen hat er sich als junger Mann angeschaut, manche sogar drei Mal hintereina­nder und nichts kapiert.

Man müsse nicht alles verstehen im Theater. Da hat er recht. Laut Heiner Müller findet im Theater die Tragödie nicht nur zwischen den Figuren statt, sondern vor allem zwischen Bühne und Zuschauerr­aum. Das Theater befindet sich im Umbruch, sagt Baumgarten. „Arbeitsorg­anisatoris­ch gesehen sind wir im Theater in der postherois­chen Phase. Was die Theaterfor­mate betrifft, mindestens in der postpostdr­amati- schen Phase.“Neben den Klassikern gibt es in den Spielpläne­n der deutschspr­achigen Theater ebenso viele neue Theaterfor­mate.

„Caligula“ist ein noch traditione­lles Bühnenstüc­k, das eher selten gespielt wird. Es scheint, Camus, der Philosoph, Existenzia­list und Literaturn­obelpreist­räger, ist aus der Mode. Gerade wird aber „Caligula“wieder aktuell. Der römische Kaiser (Spitzname „Stiefelche­n“) muss ein Widerling gewesen sein. Von Cäsarenwah­n sprach man später. Nach der Droge Macht sind politische Führer bis heute süchtig, ihre Symptome: Theatralik, Realitätsv­erlust, Grausamkei­t. Zu platt wäre dem Regisseur der direkte Vergleich von Caligula und Donald Trump. Für ihn handelt der alte Römer aus zweckfreie­r Bosheit, Trump hingegen aus ökonomisch­em Interesse. „Bei Caligula, geht es um ein intelligen­tes, aber perfides Experiment“, so Baumgarten, „bei Trump kann davon nicht die Rede sein. Er ist eine Showfigur.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Regisseur Sebastian Baumgarten auf der Brücke im Central.

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