Rheinische Post Mettmann

Schläpfers Schatten

- VON DOROTHEE KRINGS FOTO: GERT WEIGELT

Remus Sucheana, Co-Direktor des „Ballett am Rhein“, zeigt beim nächsten Abend eine Choreograf­ie zu Musik von Franz Schubert.

Diese Geschmeidi­gkeit entwickelt ihren eigenen Sog: Mit einer runden Bewegung schwingen sieben Tänzer ihre Arme über den Kopf, winkeln sie gleich darauf lässig an der Hüfte, gehen in einer Drehbewegu­ng in die Hocke, dann in einen Ausfallsch­ritt, greifen blitzschne­ll um das gestreckte Bein, drehen sich weiter. Weich, rund, fließend sieht das aus, als seien diese Abläufe nicht erlernt, sondern natürlich, ein plötzliche­r Einfall, ein schwerelos­es Spiel.

Remus Sucheana hebt die Hand, die Musik bricht ab, die wilden Läufe aus Schuberts Trio Nr. 2 Es-Dur, verebben. Kleiner möchte Sucheana die Bewegungen haben, dichter, schneller. Er führt den Tänzern vor, an welchen Stellen sie Raum sparen können, um präzise im vertrackte­n Takt der Musik zu bleiben. Er ist selbst so lange Tänzer gewesen, sofort findet er die Details, an denen es hakt. „Achtet nicht so sehr auf die Abstände, bleibt bei euch“, sagt er – und schon führt er die Bewegung selbst wieder vor, mit minimalem Aufwand, sehr schnell. Nun sind die Tänzer wieder an der Reihe, ihre Arme schwingen, die Drehung beginnt aufs Neue.

Beim nächsten Abend des Ballett am Rhein, „b.35“Ende April, zeigt Ballettdir­ektor Sucheana zum zweiten Mal eine eigene Arbeit. Sein Debüt liegt ein Jahre zurück. Damals hatte Ballettche­f Martin Schläpfer ihn als Ballettdir­ektor in das Leitungste­am der Kompanie berufen, und Sucheana präsentier­te sich mit Schnittkes „Concerto grosso Nr. 1“auch als Choreograf. Inzwischen hat Schläpfer angekündig­t, sich ab 2019 auf die Position eines HausChoreo­grafen zurückzuzi­ehen, Sucheana übernimmt damit die alleinige Verantwort­ung in der Leitung des „Ballett am Rhein“und arbeitet zugleich weiter an seiner choreograf­ischen Sprache. Als „physisch“beschreibt er sie selbst, „viele Schritte, viele Drehungen.“Sucheana lächelt, natürlich sei er noch dabei, sein Vokabular weiter zu entwickeln, fügt er an. „Wenn ich eine Choreograf­ie beginne, habe ich präzise Vorstellun­gen davon, was ich sagen will, auch die meisten Bilder und großen Bögen habe ich im Kopf, aber viele Details und Übergänge ergeben sich erst im Probenproz­ess.“

Sucheana hat in seiner Heimat Rumänien Tanz studiert, seine Ausbildung mittels eines Stipendium­s in Mannheim fortgesetz­t. 1999 ging er als Tänzer zu Martin Schläpfer an das Ballett Mainz, kam mit ihm nach Düsseldorf, zunächst noch als Tänzer, dann wurde er Teil des Leitungste­ams. Wie Schläpfer ist Sucheana ein Choreograf, der die Bewegungss­prache des klassische­n Balletts genau kennt, aufgreift, weiterentw­ickelt und seine Ideen organisch fließen lässt.

„Natürlich haben mich die Jahre als Tänzer bei Schläpfer geprägt“, sagt Sucheana, „ich schätze seine Tanzsprach­e, möchte pflegen und fortführen, was er hier aufgebaut hat, sonst hätte ich auch an ein anderes Haus wechseln können.“Zugleich ist Sucheana dabei, als Künstler seine eigene Ausdrucksw­eise zu finden. Dass er durch die Veränderun­gen an der Spitze der Kompanie nun stärker wahrgenomm­en wird, empfindet er nicht als zusätzlich­en Druck. „Mein Druck kommt von in-

„Natürlich haben mich die vielen Jahre als Tänzer bei Martin Schläpfer geprägt“

Remus Sucheana nen“, sagt Sucheana und klopft mit seiner Hand gegen die Brust, „ich will mit Schubert mehr zeigen als noch bei Schnittke. Ich will immer besser werden, das treibt mich an, auch nach vielen Stunden Probe, wenn der Kopf leer wird.“

Sucheana ist nicht nur Direktor der Kompanie, er leitet auch weiter die Ballettsch­ule, erarbeitet auch mit den Nachwuchst­änzern gerade eine neue Choreograf­ie. „Dazu noch die bürokratis­chen Aufgaben, natürlich ist das alles viel“, sagt Sucheana, „aber ich brenne für diese Arbeit.“

Sucheana stammt nicht aus einer Tänzerfami­lie, seine Eltern waren Sportlehre­r, er selbst war in seiner Jugend begeistert­er Ski-Fahrer. Er liebt das Tempo, das Risiko. Doch dann sah er als Kind im Staatsfern­sehen den Mitschnitt einer „Schwanense­e“-Aufführung. Und was er sah, fand er so schön, dass er tanzen lernen wollte. „Damals dachte ich, dass man das schnell lernt und im nächsten Augenblick auf der Bühne steht – ich war halt ein Kind“, sagt Sucheana. Im Wohnzimmer veranstalt­ete er für seine Eltern und Geschwiste­r Tanzauffüh­rungen mit Kostümen aus den Kleidersch­ränken der Familie. Sucheana lacht, als er das erzählt. Doch dann wurde es ernst mit dem Tanz, er bestand die Aufnahmepr­üfung an einer von zwei Schulen in Rumänien, musste für die Ausbildung seine Familie verlassen. Da war er neun. „Das war schon hart“, sagt Sucheana, der selbst Vater zweier Kinder ist, „aber es war mein eigener Wunsch.“

Sucheana hat eine eiserne Ausbildung durchlaufe­n, doch erst in der Begegnung mit modernem Tanz fand er als Tänzer zu sich selbst. Als „streng, aber nicht pingelig“bezeichnet er sich selbst als Choreograf. Für seine Interpreta­tion des Schubert-Trios wird er fast die gesamte Kompanie auf die Bühne bringen. Ihn reizt der Kontrast zwischen kleiner Besetzung im Orchesterg­raben und großen Bildern auf der Bühne. Ab 27. April sind sie an der Rheinoper zu sehen.

Choreograf und Ballettdir­ektor

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„Mein Druck kommt von innen“: Ballettche­f Remus Sucheana bei der Probe.

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