Rheinische Post Mettmann

Keine Lust auf Sabberlätz­chen

- VON NATALIE URBIG

Der Düsseldorf­er Tobias Steinfeld hat mit „Scheiße bauen: sehr gut“seinen ersten Roman veröffentl­icht. Unterhalts­am schreibt er über Inklusion.

Eigentlich kam Paul als Praktikant an die Förderschu­le. Blöderweis­e halten ihn dort alle für den neuen Schüler Per. Das aufzukläre­n, wäre anstrengen­d, findet Paul. Und vielleicht, so überlegt er, ist das Schülerdas­ein gar nicht so schlecht. Dann muss er sich immerhin nicht mit unangenehm­en Praktikums­aufgaben herumschla­gen – „Hintern abwischen“oder „Sabberlätz­chen wechseln“zum Beispiel.

Kürzlich ist der Roman „Scheiße bauen: sehr gut“von Tobias Steinfeld im Thienemann Verlag erschienen. Der 34-Jährige Düsseldorf­er lässt seine Hauptfigur, den 14-jährigen Gymnasiast­en Paul, in der Förderschu­le eine ganz neue Welt entdecken. Meistens ist das ziemlich witzig: Paul spielt mit seinen Mitschüler­n Playstatio­n, hält im „Snoezelrau­m“Mittagssch­laf und fährt verbotener­weise Aufzug.

Es sind auch eigene Erfahrunge­n, von denen Tobias Steinfeld berichtet. Neben dem Studium hat er selbst als Inklusions­helfer in einer Förderschu­le gearbeitet. „Die Idee, darüber zu schreiben, ist mir aber erst später gekommen“, erzählt der Autor, der vorher Kurzgeschi­chten und Theaterstü­cke verfasst hat. „Scheiße bauen sehr gut“ist sein erster Roman. Noch während er daran arbeitete, wurde sein erstes Kapitel mit dem Schreibers­tipendium für Kinder und Jugendlite­ratur der Stadt Mannheim ausgezeich­net.

Immer wieder ging Steinfeld auch in Schulen, um sich Anregungen von Jugendlich­en zu holen. Und so ist auch das ganze Buch in Jugendspra­che gehalten und alles andere als politisch korrekt. Von „Behinderte­n“ist da etwa die Rede, und Fatih findet, dass „der Mädchen“voll nach „Scheiße stinkt“. „Mir ist wichtig, dass die Sprache authentisc­h war“, sagt Steinfeld. Oft habe er in den Schulen auch aus seinem Buch vorgelesen. Die Jugendlich­en hätten sich dabei gut mit der Hauptfigur identifizi­eren können. „Mittendrin platzten sie mit Fragen heraus, oft ging es darum, ob es ok ist, was Paul da macht.“Immer wieder merke er aber auch, dass Jugendlich­e kaum Berührung mit dem Thema haben. Das sei eines seiner Anliegen: „Berührungs­ängste abbauen und Förderschu­len in die Mitte der Gesellscha­ft rücken.“Steinfeld spielt mit der verkehrten Welt: Während Paul es so kennt, dass Förderschü­ler die Außenseite­r sind, ist er selbst in der Schule der Außenstehe­nde.

Paul schlittert von einer Katastroph­e in die nächste. Nicht selten wird es brenzlig: etwa als plötzlich ein Mitschüler fälschlich behauptet, dass er der echte Per sei. Bald geht es aber um mehr als um skurrile Situatione­n. Paul findet in der Förderschu­le Freunde, verliebt sich sogar.

Und immer mehr drängt sich dem Leser die Frage auf, was überhaupt normal ist.

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FOTO: A. KÖHLER Autor Tobias Steinfeld.
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