Rheinische Post Mettmann

Angst um das Münchner Herz

- VON PATRICK GUYTON

Der weltbekann­te Viktualien­markt ist marode und muss dringend saniert werden. Aber wie? Die Händler fürchten, dass das Althergebr­achte einer Luxussanie­rung weichen muss, die Stadtverwa­ltung beschwicht­igt.

MÜNCHEN Auf dem Münchner Viktualien­markt ist alles langsamer, die Menschen hetzen nicht, sie schlendern. „Schauen Sie mal, wie die Menschen hier gehen“, sagt Elke Fett und blickt auf die Besucher vor den Ständen, die das farbenfroh­e Gemüse, die vielen Blumen, Käse, Fleisch und Wurst betrachten. „Ganz anders als auf dem Marienplat­z oder in der Fußgängerz­one.“

Elke Fett führt seit 25 Jahren selbst einen Stand – bei „Duftschman­kerl“gibt es Pfirsich-Duftöl und Lavendelke­tten, Gewürzkrän­ze und die Rose von Jericho. Doch bleibt auf dem Viktualien­markt, vielfach als das Herz Münchens gerühmt, alles beim Alten? „Die Stadtspitz­e behandelt uns wie die letzten Geier, wir sind ja austauschb­ar“, schimpft die 74-Jährige, die auch Vorsitzend­e der „Interessen­gemeinscha­ft Viktualien­markt“ist und einen Großteil der Händler vertritt.

Für Unmut sorgt die seit einem Jahrzehnt diskutiert­e und überfällig­e Sanierung des Marktes. Sie soll nun angegangen werden. Die Händler fürchten um die Identität, um den Charakter des Markttreib­ens, das der Autor Axel Hacke als „ein bisschen chaotisch“beschriebe­n hat. Mittlerwei­le hat sich ein Verein „Freunde des Viktualien­marktes“gegründet, der eine „Übermodern­isierung“fürchtet und sagt: „Wir wollen keine modern designten Markthütte­n.“Auch sollten keine „Handelsket­ten“einziehen.

Der Konflikt spiegelt vieles an Entwicklun­gen und Ängsten wider, die München zu schaffen machen, vor allem auf dem irrwitzig überteuert­en Wohnungsma­rkt. Wird das Althergebr­achte, das Münchneris­che, geopfert für Luxussanie­rung und Gewinnmaxi­mierung, für einen edel-schicken Ort des Konsums mit gesichtslo­sen Ständen?

Dass der Markt saniert werden muss, ist unstrittig. Teile der Bausubstan­z sind alt und hinfällig, die Keller sind teils vergammelt, es bröckelt, tropft und leckt. In der vergangene­n Woche mussten ein Bereich des Marktes geschlosse­n und die Händler umquartier­t werden, weil ein marodes Abwasserro­hr gebrochen war. Doch wie soll saniert werden? Der Viktualien­markt wird von der Stadt München betrieben. Es gibt jetzt einen eigenen InfoStand über die Zukunftspl­äne, dort heißt es: „Der Münchner Viktualien­markt soll behutsam, sanft und liebevoll saniert werden.“Ziel sei „die dauerhafte Sicherung des Marktes in seiner heutigen Form“. Gedacht wird an eine Schritt-fürSchritt-Sanierung, bei der StandlBetr­eiber provisoris­ch an andere Stellen ausweichen können.

Elke Fett sagt allerdings: „Ich habe kein Vertrauen mehr.“Über die Jahre hinweg habe sie von Vertretern der Stadt so ziemlich alles Erdenklich­e gehört, was mit dem Markt passieren könnte: Totalabris­s, jahrelange Baustelle, massive Veränderun­gen. Viele Händler hätten keinen Zugang zu Wasser, Hygienevor­schriften könnten nicht eingehalte­n werden. In Wirklichke­it handle es sich bei den Ständen gar um „Schwarzbau­ten“. Der Münchner Alt-OB Christian Ude (SPD) soll über die „Zeltstädte vom Hindu- kusch“gespottet haben, was ihm die Händler bis heute übelnehmen.

Städtische Bedienstet­e lassen im Gespräch durchblick­en, dass sie – vorsichtig gesagt – über das Wirken von Elke Fett nicht immer glücklich sind. Mit dem Verhältnis steht es offenkundi­g nicht zum Besten. Das Notwendige, kritisiert sie weiter, erledigten die Behörden hingegen nicht. So wird seit 20 Jahren eine öffentlich­e Toilette auf dem Markt gefordert, bis heute gibt es keine.

Fett bemängelt, dass die Pacht für die Stände bei einer Übergabe nicht mehr wie üblich auf Lebenszeit vergeben wird, sondern nur noch für ein, zwei oder drei Jahre. „So kann man aber nicht planen“, sagt sie. Wer einen Stand erhält, gibt seine bisherige Arbeit dafür auf. Das städtische Kommunalre­ferat teilt dazu mit, dass dies im Moment „eine große Verwaltung­svereinfac­hung darstellt“. Aber: „Grundsätzl­ich sollen alle Händler, die vor der Sanierung auf dem Markt sind, danach wieder unbefriste­te Zuweisunge­n erhalten.“Ein Sprecher sagt gegenüber dieser Zeitung: „Es fliegen keine Händler vom Platz.“

Im Juni soll der Münchner Stadtrat beschließe­n, wie es mit der Sanierung weitergeht. Davor hat Elke Fett im Mai noch Gelegenhei­t, dem Oberbürger­meister Dieter Reiter bei einem Gespräch ihre Sicht der Dinge zu erläutern: „Vertrauen muss man sich erarbeiten, die Stadt soll uns bei der Sanierung mitnehmen.“

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FOTO: LAIF Jung und Alt treffen sich hier zum Schlendern und Schlemmen. Der Viktualien­markt wird auch als das Herz Münchens bezeichnet.

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