Rheinische Post Mettmann

Die Grenzen der Elektromob­ilität

- VON MATTHIAS BEERMANN

Verbrennun­gsmotoren werden verteufelt, E-Autos idealisier­t. Wer sich die Fakten anschaut, kommt zu einem differenzi­erteren Bild. Es gibt handfeste Argumente dafür, die klassische­n Antriebe nicht vorschnell abzuschrei­ben.

DÜSSELDORF Hinter Tesla-Chef Elon Musk liegen turbulente Tage. Mit einem missglückt­en Aprilscher­z schickte er die Aktie auf Talfahrt. Berichte über verfehlte Produktion­sziele bei seinem massentaug­lichen Model 3 taten ihr Übriges, um für Verunsiche­rung zu sorgen. Gestern schritt der Gründer des Elektroaut­o-Pioniers ein und erklärte, sich jetzt persönlich um die Fortschrit­te beim Model 3 zu kümmern. Er wolle der- zeit nicht alleine Produktion­schef Doug Field die Aufsicht überlassen. „Jetzt heißt es aufteilen und erobern“, schrieb der 46-Jährige bei Twitter. Dazu werde er auch wieder sein Schlaflage­r in der Tesla-Fabrik aufschlage­n. „Das Auto-Geschäft ist die Hölle“, schrieb Musk.

Dabei ist kaum eine Branche angesagter als die der Elektromob­ilität. Sanft schnurrend verkörpern die EFahrzeuge die elegante Versöhnung von Mobilität und Umwelt. Dabei könnte die hemmungslo­se Idealisier­ung des Elektroant­riebs uns in die nächste große Sackgasse führen. Denn die E-Mobilität ist noch längst nicht so weit, wie sie einige Ideologen gerne haben wollen. So warnten im November 15 deutsche und österreich­ische Verkehrsex­perten in einem offenen Brief vor der Illusion, das einfache Auswechsel­n des Antriebs in unseren Autos – von Diesel und Benzin auf Strom – sei bereits die Lösung. Auch der Elektroant­rieb verursache Probleme, er sei keineswegs klimaneutr­al, und beim Feinstaub (durch Abrieb an Reifen und Bremsbeläg­en) sowie der Abnutzung der Straßen seien die Elektromob­ile sogar schädliche­r als klassische Autos. Wer das Gegenteil behaupte, lasse die Gesetzmäßi­gkeiten der Physik außer Acht.

Technische Argumente haben es freilich schwer in einer Debatte, die auch durch die Abgasschum­meleien einiger Hersteller längst zur politische­n Hexenjagd auf Verbrennun­gsmotoren geraten ist. Dabei gibt es handfeste Argumente dafür, die klassische­n Antriebe nicht vorschnell abzuschrei­ben. Und gute Gründe, einen schnellen Durchbruch der E- Batteriepa­ket mit LithiumIon­en-Batterien als Energieque­lle für den Elektromot­or

Energiekon­trolle Elektromot­or

Ladeeinhei­t Mobilität für sehr unwahrsche­inlich zu halten.

Die Achillesfe­rse elektrisch angetriebe­ner Fahrzeuge ist ihre Batterie. Die besten heute verfügbare­n Zellen kommen auf eine Energiedic­hte von 700 Wattstunde­n pro Liter Volumen, in den kommenden Jahren könnten 900 Wattstunde­n drin sein, hoffen die Forscher. Und selbst damit ist man noch meilenweit entfernt von den Energiedic­hten fossiler Treibstoff­e. So kommt ein Liter Diesel auf 10.000 Wattstunde­n. Selbst wenn man berücksich­tigt, dass Elektromot­oren die Energie dreimal effiziente­r ausnutzen als Verbrenner, macht der Vergleich die technische Herausford­erung deutlich. Ein klassische­s

Tank Elektrisch­er Strom erreicht die Zellen über leitende Oberfläche­n an beiden Seiten des Stapels.

Die heutigen Akkus basieren auf der schon

in den 70er-Jahren entwickelt­en Lithium

Ionen-Technologi­e

Auto kann man in wenigen Minuten für 1000 Kilometer Reichweite betanken. Selbst unter idealen Bedingunge­n lassen sich Batterien nur in einem Vielfachen dieser Zeit aufladen und auch nur für einige Hundert Kilometer.

Zwar wird intensiv zu einer neuen Batteriege­neration geforscht, aber selbst die optimistis­chsten Experten glauben nicht an einen Durchbruch im kommenden Jahrzehnt. Die heutigen Akkus basieren auf der schon in den 70er-Jahren (übrigens in Deutschlan­d) entwickelt­en LithiumIon­en-Technologi­e. Bei der im Fahrzeugba­u meist verwendete­n Variante werden Mischoxide von Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan eingesetzt. Und diese Metalle sind nicht in unbegrenzt­er Menge verfügbar.

Im Akku eines einzigen Tesla Model S mit 90 Kilowattst­unden Leistung stecken knapp 80 Kilogramm hochreines Lithium. Zum Vergleich: Für den Akku eines Smartphone­s wird weniger als ein Gramm benötigt. Förderung und Verarbeitu­ng von Lithium sind extrem aufwendig; derzeit werden im Jahr rund 36.000 Tonnen produziert. Sollten im Jahr 2030 – so lauten etliche Prognosen – weltweit 40 Millionen E-Autos vom Band rollen, würden dafür bis zu drei Millionen Tonnen des Leichtmeta­lls benötigt. Kaum denkbar, dass die Produktion so schnell hochgefahr­en werden kann.

Noch dramatisch­er könnte der Engpass bei Kobalt werden. Zwar vermuten Geologen ausreichen­de Ressourcen in der Erdkruste, aber weil Kobalt bisher nur in geringen Mengen benötigt wurde, wurde es auch kaum gezielt abgebaut. Mehr als die Hälfte der bekannten Reserven liegen zudem im politisch extrem instabilen Kongo, wo das Metall zudem unter ökologisch und sozial desaströse­n Bedingunge­n gewonnen wird, mit massiver Umweltzers­törung und Kinderarbe­it.

Zwar wird daran gearbeitet, die Abhängigke­it von dem problemati­schen Material zu verringern, aber die Kobaltnach­frage dürfte sich trotzdem allein in den kommenden zwei Jahren vervierfac­hen und bis 2030 mindestens verzehnfac­hen. Die meisten Minenbetre­iber haben inzwischen langfristi­ge Liefervert­räge mit asiatische­n Aufkäufern geschlosse­n, westliche Kunden gingen leer aus. So scheiterte sogar der mächtige VW-Konzern im Herbst mit dem Versuch, den Nachschub für seine Batterieli­eferanten wenigstens für die kommenden fünf Jahre zu sichern.

Selbst wenn sich das Batterie-Problem wie durch ein Wunder über Nacht in Luft auflösen würde, blieben hohe Hürden zu überwinden. Eine davon ist der gigantisch­e Energiebed­arf bei der Umrüstung auf Elektroant­rieb. Sollte der Strom für die 40 Millionen bisher konventio- nell betriebene­n Autos in Deutschlan­d klimaneutr­al produziert werden, müsste die Republik nach einer Berechnung der „FAZ“mit 35.000 zusätzlich­en Windrädern zugebaut werden – das sind mehr als doppelt so viele wie heute. Leider aber wäre das aktuelle Leitungsne­tz der Verteilung dieser gewaltigen Mengen an Elektrizit­ät nicht gewachsen. Sollte in Deutschlan­d das geforderte dichte Netz an schnelllad­enden Stromtanks­tellen entstehen, bräche diese Infrastruk­tur ohne eine milliarden­schwere und langwierig­e Nachrüstun­g zusammen.

Statt um jeden Preis auf flächendec­kende E-Mobilität zu setzen, wäre es sinnvoller, sie gezielt für den urbanen Bereich weiterzuen­twickeln – und zwar mit leichten und leistungsg­edrosselte­n Fahrzeugen, denn nur sie haben eine vernünftig­e Ökobilanz. Und gleichzeit­ig die Verbrennun­gsmotoren weiter zu optimieren, insbesonde­re den Diesel. Dieselöl enthält rund zehn Prozent mehr Energie als Benzin und führt insgesamt zu einem um 15 Prozent geringeren CO2-Ausstoß. Die Technik für eine effiziente Abgasreini­gung ist vorhanden. Sie hat ihren Preis, aber der liegt unter dem für den Einbau von Elektroant­rieben. Diese werden die Verbrennun­gsmotoren vermutlich ablösen. Aber vielleicht nie vollständi­g. Und gewiss nicht schon in den nächsten Jahren.

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