Rheinische Post Mettmann

Der Boxer mit dem schnellen Mundwerk

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Peter „dä Aap“Müller war bekannt für flotte Fäuste und kölsche Sprüche. Vor 55 Jahren verlor er seinen größten Kampf.

KÖLN Es gab im Boxen mal eine Zeit, da war das Image eines Boxers keine Inszenieru­ng seines Managers, sondern ein Produkt des Volksmunde­s. Und von Image, wie beim Gentleman Henry Maske oder Doktor Eisenfaust Vitali Klitschko, hätte damals auch niemand geredet, eher von einem Spitznamen. Peter Müller hieß „dä Aap“, kölsch für „der Affe“– wegen seiner gebeugten Kampfhaltu­ng, seines fröhlichen Gesichtsau­sdrucks und seiner üppigen Brutbehaar­ung. Müller war ein Kölner Original, einer, für den Boxen die Fortführun­g des Lebens mit anderen Mitteln war. Wenn Graciano Rocchigian­i der Sohn eines sardischen Eisenbiege­rs ist, dann war dä Aap vor allem ein Sohn seiner Heimatstad­t, ein populärer Sohn. Vor 55 Jahren verlor Müller seinen größten Kampf.

Am 30. März 1963 wollte der Mann aus dem Kölner Arbeitervi­ertel Sülz vor 17.000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenh­alle Europameis­ter werden. Es war sein zweiter Anlauf auf diesen Titel. Beim ersten, 1959, war er Gustav „Bubi“Scholz unterlegen. Nun, gegen den dreimalige­n ungarische­n Olympiasie­ger László Papp, reichte es für den Herausford­erer nur bis zur vierten Runde, dann ging er K.o. Es war die dritte Niederlage im dritten Duell mit Papp. Dabei hatte Müller zuvor noch großspurig angekündig­t: „Dä Papperlapa­pp, dä hau ich vor die Schnüss.“

Insgesamt fünfmal wurde Müller Deutscher Meister im Mittelgewi­cht. Von 176 Kämpfen gewann er 133, davon 68 durch K.o., aber bekannt wurde er durch einen Schlag, mit dem er keinen Gegner, sondern den Ringrichte­r niederstre­ckte: Am Reporter, was Müller denn von Omo halte? „Dä schlahn ich in der ersten Rund kapott“, lautete die Antwort.

Müller galt intellektu­ell nicht als hellste Leuchte am Firmament, aber das erwartete auch niemand von ihm. Er trug das Herz auf der Zunge oder die Zunge in der Schlaghand – immer „feste druff“jedenfalls. Vor einem Kampf in den USA soll er sich eine Mundharmon­ika in den Ring haben reichen lassen und spielte darauf das Horst-Wessel-Lied, weil er es fälschlich­erweise für die deutsche Nationalhy­mne gehalten hatte. Er war nicht nur Boxer, er versuchte sich als Wrestler, er war Taxifahrer, und nach seinem Karriereen­de im Ring 1966 stieg er ins Geschäft mit Spielautom­aten ein. Er heiratete die Tochter seines Trainers.

Als 1971 der erste Boxkampf live im deutschen Fernsehen übertragen wurde, schlug noch einmal Müllers große Stunde. Seine Rolle vor dem Kampf Cassius Clay – später Muhammad Ali – gegen Joe Frazier: Er sollte einen Programmhi­nweis für die ARD aufsagen. „Nicht vergessen: Boxen diese Nacht 3.25 Uhr Clay gegen Frazier im ersten Programm. Bitte aufstehen nicht vergessen.“Noch heute kursiert bei YouTube ein Video vom Dreh des Spots, und wer sich die gut zwei Minuten anguckt, stellt sich die Frage, wer damals ob der vielen Versuche entnervter gewesen sein dürfte – Müller selbst oder die Fernsehcre­w.

1987 entstand ein 45-minütiger Dokumentar­film über ihn, erzählt von seinem früheren Ringarzt. 1992 starb Peter Müller. Mit 65. An den Folgen eines Herzinfark­tes. Sein Grab liegt auf dem Kölner Südfriedho­f. „Box-Champion“ist in den Grabstein eingravier­t, genauso wie zwei Boxhandsch­uhe. Nur „dä Aap“steht dann doch nirgendwo.

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