Rheinische Post Mettmann

„Gründersen­dung zeigt Start-ups als Bettler“

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Der Mit-Initiator des Rheinland-Pitches und Start-up-Berater spricht über die neue Gründersen­dung von Carsten Maschmeyer.

Sie sind selbst Start-up-Unternehme­r und beraten heute andere Startups im Startplatz. Was halten Sie von den neuen Gründersho­ws wie „Höhle der Löwen“oder der neuen Sendung von Carsten Maschmeyer? VIDAR ANDERSEN Davon halte ich gar nichts. Zum einen schaue ich nicht gerne Fernsehen, das ist aber nicht der Grund. Diese Sendungen verstärken eine Haltung, die mir überhaupt nicht passt. Da entsteht ein schiefes Bild. Es wird das Bild vermittelt, dass Gründer betteln gehen müssten. Und genau das ist veraltet. Da entsteht das Bild des alten Industriel­len, der mit seinem Geld da steht, und die anderen buhlen unterwürfi­g um ihn. Dabei ist aber in der Realität der Start-ups jeder Herr über sein eigenes wirtschaft­liches Schicksal. Irgendwo ist auch für dich der Geldsack mit einem Namen drauf. Wie sind Sie als Gründer gestartet? ANDERSEN Ich habe in Lillehamme­r angefangen, Filmregie zu studieren. Das war total langweilig. Das war im Jahr 1996. Damals kam das Internet, und ich dachte mir wie viele: Damit kannst Du Geld verdienen. So habe ich in Stavanger, Norwegen, ohne Lehre und ohne Studium Webseiten für Firmen gemacht. Das lief gut, meine Firma wurde nach kurzer Zeit von einer Agentur gekauft. Konkurrenz gab es kaum, denn das Internet war ja für alle neu. Sind Sie auch selbst gescheiter­t? ANDERSEN Ja, und zwar krachend. Weil es mir 2001 in Stavanger zu langweilig wurde, bin ich mit zwei Freunden nach Oslo gegangen und habe ein Internet-Start-up gegründet. Nach nur vier Wochen platzte die Blase und es ging gar nichts mehr. Kein Anruf, kein Auftrag, kein Kunde in Sicht. Wir konnten nicht mal Miete und Essen bezahlen und arbeiteten nachts in leeren Büros anderer Firmen. Doch der Erfolg kam irgendwann? ANDERSEN Ja, wir haben ein Content-Management-System namens Plone auf die Beine gestellt, mit drei Gründern. Es basiert auf Open Source. Heute benutzen es FBI, CIA und sogar die Nasa. Was haben Sie aus dieser Niederlage als Unternehme­r gelernt? ANDERSEN Es hat mir gezeigt, dass du als Start-up bereit sein musst, wieder aufzustehe­n, wenn du auf die Fresse gefallen bist. Zur Not auch 99 Mal hintereina­nder. Nur mit so einer Einstellun­g kann es klappen. Welche Fehler machen Start-ups? ANDERSEN Auf Platz eins: dass die Gründer zu versessen auf ihre Idee sind. Das klingt vielleicht paradox, doch da ist was dran. Vielen Gründern fehlt die realistisc­he Einschätzu­ng dazu, dass das Produkt einem Kunden gefallen muss. Dessen Bedarf steht an oberster Stelle. Selbstverl­iebtheit in die Idee reicht nicht fürs wirtschaft­liche Überleben. Wie geben Sie dieses Wissen weiter? ANDERSEN Jeden Mittwoch gebe ich im Düsseldorf­er Startplatz von 11 bis 14 Uhr kostenlose Sprechstun­de für Gründer. Und ich bin fast immer ausgebucht. Warum machen Sie das? ANDERSEN Ich hatte im Silicon Valley Mentoren, die das mit mir gemacht haben. Und zwar kostenlos. Die haben gesagt: Wir machen das, weil wir wissen, dass du es später für andere machst. Und das mach ich jetzt. Wird das Wort Start-up nicht etwas inflationä­r in Düsseldorf gebraucht, mit Start-up-Woche und Digihub und Rheinlandp­itch und so weiter? ANDERSEN Ein Stück weit teile ich Ihre Einschätzu­ng. Das Wort Startup wird immer oft mit der Existenzgr­ündung gleichgese­tzt. Das ist aber falsch. Existenzgr­ündung ist eine gute Sache. Der Unterschie­d aber ist, dass ein Start-up eine andere Skalierbar­keit bietet. Wer Bratwürste verkauft hat eine persönlich­e Kapazitäts­grenze. Ein digitales Geschäftsm­odell eines Start-ups kann aber ohne weitere Arbeitskra­ft oder Materialei­nsatz vergrößert werden. THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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