Rheinische Post Mettmann

„Nat King Cole war mein Ersatzvate­r“

- FOTO: NN

Der kalifornis­che Sänger hat ein neues Album mit Klassikern von Nat King Cole aufgenomme­n. Jetzt stellt er es in Düsseldorf vor.

Eine beinahe andächtige Stimmung herrscht in der St. Luke’s Kirche in Ost-London, als Gregory Porter mit dem London Studio Orchestra einige Stücke seiner CD „Nat King Cole & me“live vorstellt. Egal, ob sich der Sänger mit der Ballonmütz­e „Quizas, Quizas, Quizas“oder „Miss Otis Regrets“vornimmt, seine samtige Baritonsti­mme ist stets mit Vince Mendozas üppigen Arrangemen­ts unterlegt. Sie harmoniere­n gut mit den Nat-King-Cole-Klassikern, die für Porter sehr wichtig sind. Das verrät der 46-Jährige im Interview. Erinnern Sie sich noch, wie Sie Nat King Coles Musik entdeckt haben? PORTER Und ob! Als Sechsjähri­ger habe ich meiner Mutter immer etwas vorgesunge­n, wenn sie von der Arbeit kam. Sie sagte: „Junge, du klingst wie Nat King Cole.“Also habe ich mich heimlich zu ihrer Plattensam­mlung geschliche­n und ein NatKing-Cole-Album aufgelegt. Das war für mich ein echtes Aha-Erlebnis. Besonders das Lied „Pick Yourself Up“hat mich zutiefst berührt. Für mich ist es ein Lebensmott­o geworden, niemals aufzugeben. Stimmt es, dass Sie sich als Junge oft ausgemalt haben, Nat King Cole wäre Ihr Vater? PORTER Ja. Weil mein leiblicher Vater in meinem Leben kaum anwesend war, erkor ich Nat als meinen Ersatzvate­r aus. Wenn er mit seiner tiefen Stimme in seinen Lieder etwas Kluges erzählte, hatte ich das Gefühl: Nat will mir seine Weisheiten mit auf den Weg geben. Wie das ein Vater halt so macht. Haben Sie von Ihrem eigenen Vater überhaupt nichts gelernt? PORTER: Er hat mir beigebrach­t, wie man Fensterrah­men streicht, ohne Klebeband zu verwenden. Das kann ich wirklich gut. Meine Gesangssti­mme und mein musikalisc­hes Talent habe ich ebenfalls von ihm geerbt. So gesehen verdanke ich meinem Vater doch einiges. Für Ihre CD „Nat King Cole & me“haben Sie unter anderem „I wonder who my Daddy is“aufgenomme­n. Was empfinden Sie, wenn Sie dieses Stück singen? PORTER Es spiegelt in gewisser Weise meine Geschichte wider. Bis heute versuche ich herauszufi­nden, wer mein Vater tatsächlic­h war. Begierig sauge ich jedes Detail auf, das ich von meinen Verwandten bekomme. Denn als Kind kannte ich meinen Vater nur als gelegentli­chen Besucher, als Stimme am Telefon. Hat Sie das deprimiert? PORTER Und wie! Es gab eine Phase, in der ich einen fürchterli­chen Schmerz in meiner Brust spürte. Darum ging ich zum Arzt, der mir allerdings beste Gesundheit bescheinig­te. Er überwies mich an eine Therapeuti­n. Sie stellte mir viele Fragen: „Wie läuft es mit ihrer Freundin? Wie ist ihre Beziehung zu ihrer Mutter? Welches Verhältnis haben Sie zu ihrem Vater?“Als sie mich auf meinen Vater ansprach, brach ich in Tränen aus. Da löste sich etwas in mir, auf einmal war der körperlich­e Schmerz verschwund­en. Haben Sie danach denn auch Ihr Musical „Nat King Cole & me“geschriebe­n? PORTER Ja. In dem Musical gibt es eine Szene, in der sich mein Vater bei mir entschuldi­gt. Das war für mich wie eine Katharsis. Ich konnte zumindest einen Teil meiner Wut ablassen. Inzwischen haben Sie selbst einen Sohn. Wollen Sie ihm – verglichen mit Ihren eigenen Erfahrunge­n– ein besserer Vater sein? PORTER Auf jeden Fall. Manchmal frage ich mich, wie Nat King Cole damit umgegangen ist, dass er wegen seiner Karriere so oft unterwegs war. Mir fällt es nicht leicht, ständig zu reisen. Mein Credo ist: Auch wenn ich körperlich abwesend bin, sind meine Gedanken ständig daheim bei meinem Sohn. Ich denke dauernd darüber nach, was ich ihm geben kann, was ich zu ihm sage, was ich ihm hinterlass­e. Mit „Don’t Lose Your Steam“habe ich extra einen Song für meinen Jungen geschriebe­n, der inhaltlich von Nats „Pick Yourself Up“inspiriert wurde.

Sie ist auf jedem Album irgendwie präsent. Meine Mutter hat sich sehr in der Kirche engagiert, wo galt: Wenn du deine Stimme nicht für Gott erhebst, schweig lieber! Das hatte ich so verinnerli­cht, dass ich mir nicht sicher war, ob ich wohl über die Liebe singen durfte. Als ich das mit meiner Mutter besprach, sagte sie: „Solange du wie Nat King Cole über die Liebe singst, sehe ich darin nichts Vulgäres.“ DAGMAR LEISCHOW FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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Der Mann mit der Ballonmütz­e: Gregory Porter verbindet verschiede­ne Stile wie Jazz, Soul und Rhythm & Blues.

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