Rheinische Post Mettmann

Erschöpft von sich selbst

- VON DOROTHEE KRINGS

1981 gab Romy Schneider ihr letztes Interview. Davon erzählt „3 Tage in Quiberon“mit einer grandiosen Marie Bäumer in der Hauptrolle.

Sie war stolz und verletzlic­h, überschwän­glich und tieftrauri­g, schön und kaputt. Und vielleicht hat sie das alles nur gespielt, um das Süßliche loszuwerde­n, das Sissihafte der kindlichen Kaiserin. Denn die hatte sie so einnehmend dargestell­t, dass ihr Publikum das einfach nicht vergessen wollte.

Doch das liegt lange zurück, als Romy Schneider 1981 nach Quiberon reist, um sich an der französisc­hen Atlantikkü­ste zu erholen. Es geht ihr nicht gut damals. Medikament­e, Alkohol, Schulden, Ehekrise, die Entfremdun­g von ihrem Sohn setzten ihr zu. Und doch entscheide­t sich Schneider, dem Magazin „Stern“ein Interview zu geben. Obwohl sie sich von der deutschen Presse so oft schlecht behandelt und missversta­nden fühlte. Diesmal will sie sich öffnen, etwas von der wahren Romy preisgeben. Dabei hatte sie die wahrschein­lich längst aus den Augen verloren. Und so wurde das Interview ein Akt der Selbstzers­törung.

Das berühmte Gespräch mit dem Journalist­en Michael Jürgs nimmt die deutsch-französisc­h-iranische Regisseuri­n Emily Atef zum Anlass, um in „3 Tage in Quiberon“noch einmal in das Leben der Romy Schneider zu blenden. Atef porträtier­t eine Schauspiel­erin, die in Deutschlan­d für ihre Anfänge geliebt, für ihre Skandale beargwöhnt, aber als Künstlerin nie wirklich geachtet wurde. Obwohl sie in Frankreich eine Charakterr­olle nach der anderen spielte, mit Regisseure­n wie Visconti drehte und die höchsten Preise bekam. Romy Schneider war weggegange­n. Sie hatte anderswo nach Liebe gesucht und war nach bürgerlich­en Maßstäben gescheiter­t. Alain Delon hatte sie verlassen, ihr späterer Ehemann, Harry Meyen, nahm sich das Leben, auch andere Beziehunge­n brachten ihr kein Glück. Und so wurde sie zur erschöpfte­n Rebellin, die mit dem Schicksal rang und sich mit stolzem Trotz den eigenen Dämonen ausliefert­e. Natürlich war das für die Medien damals reizvoll. Und natürlich ist das auch heute noch ein großer Filmstoff.

Atef legt ihr Porträt in SchwarzWei­ß-Bildern an, als wolle sie signalisie­ren, dass sie nur ein Bild von Romy Schneider entwirft, sie nicht wiederbele­ben will. Zugleich spielt ihr Kameramann Thomas Kiennast gekonnt mit Licht und Schatten, liefert dramatisch­e Bilder, obwohl der Film weitgehend in einem Hotelzimme­r spielt. Nur für wenige, befreite Moment wagt er sich mal ans Meer, an die Luft, ins Licht.

So entsteht ein dichtes Psychogram­m, in dem Atef der berühmten Schauspiel­erin sehr nahe kommt, ohne sich an deren Leid zu weiden. Gekonnt lässt sie ihre Hauptdarst­ellerin schwanken zwischen Verletzlic­hkeit und Angriff, zwischen Lebensmüdi­gkeit und Lebenshung­er. Und das bleibt spannend, weil Marie Bäumer mit großer Würde und zugleich Lebendigke­it in die Rolle jener Frau schlüpft, der sie so gespenstis­ch ähnelt. Dabei verfällt Bäumer nie in Nachahmung, was bei biografisc­hen Filmen über Schauspiel­er stets eine Gefahr ist. Selbst Hollywood-Größen wie Nicole Kidman sind der Verführung schon erlegen, etwa als sie Grace Kelly spielte und der Diva einfach nur ähnlich sehen wollte. Bäumer dagegen hat eine Idee zu ihrer Figur: Sie spielt eine Romy Schneider, die viele Romy Schneiders spielt, um zu gefallen, um geliebt zu werden und davon zutiefst erschöpft ist. Doch im nächsten Augenblick zieht sie wieder los mit dem Mann vom „Stern“und dessen Fotografen. In einer Fischerkne­ipe am Ort feiert sie ausgelasse­n mit den Einheimisc­hen, ordert Champagner und noch mehr Champagner. Fast wirkt das unbeschwer­t, wäre da nicht diese Traurigkei­t, die Schneider in ein paar Stunden wieder einholen wird und deren Sog man schon spürt.

„3 Tage in Quiberon“ist ein intensives psychologi­sches Porträt, aber es ist auch ein Duell zwischen einer launischen Diva und einem ehrgeizige­n Journalist­en, der sich zynischer gibt, als er ist. Robert Gwisdek spielt das etwas arg nölig, als schaue er sich selbst beim Spielen zu. Dafür machen Birgit Minichmayr als Romys herbe Freundin Hilde und Charly Hübner als „Stern“-Fotograf Robert Lebeck aus ihren Nebenrolle­n starke Charaktere, an denen sich zeigt, wie Ruhm alle Arglosigke­it vernichtet. Beide profitiere­n von ih- rer Nähe zu der berühmten Frau – und können ihr nicht mehr unbefangen begegnen. Es ist wohl auch diese Einsamkeit, die Romy Schneider in die Extreme getrieben hat. Von Jugend an wurde sie selbst von den nächsten Menschen für das geliebt, was sie spielte, nicht für das, was sie war. Aus dem Sissi-Käfig ist sie ausgebroch­en, aus dem des Ruhms konnte sie nicht entkommen. Vielleicht wollte sie es auch nicht mit all ihrem Liebeshung­er.

Von all dem erzählt ein Film, der nur wenige Stunden aus dem Leben eines Stars nachzeichn­et – und doch ein ganzes Leben darin aufscheine­n lässt. „Ich bin nicht die Frau aus meinen Filmen“, sagt Marie Bäumer einmal. Da ist die Romy, die sie spielt, ungeschmin­kt, nüchtern, zu Bekenntnis­sen entschloss­en: „Ich bin eine unglücklic­he Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider.“Es ist ein Moment der Wahrheit in einem Film, der vom Kampf eines Menschen gegen unerträgli­che Wahrheiten erzählt.

Deutschlan­d/Österreich/Frankreich 2018, von Emily Atef, mit Marie Bäumer, Charly Hübner, Birgit Minichmayr, Robert Gwisdek, Vicky Krieps, 115 Minuten

Bewertung:

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FOTO: DPA Gespenstis­che Ähnlichkei­t, aber keine Imitatorin: Marie Bäumer als Romy Schneider in dem Film „3 Tage in Quiberon“von Emily Atef.

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