Rheinische Post Mettmann

Grusel ohne Gerede

- VON MARTIN SCHWICKERT

Der Thriller „A Quiet Place“spielt in nahezu völliger Stille.

Fast 40 Minuten dauert es, bis der erste Satz gesagt wird. Die gesprochen­en Dialoge dieses Films dürften auf zwei Schreibmas­chinenseit­en passen. Still zu sein ist in John Krasinskis „A Quiet Place“eine Frage des Überlebens. Auf der Erde haben sich nämlich Monster breit gemacht, die weder sehen noch riechen, dafür aber umso besser hören können. Das kleinste Geräusch können sie über Kilometer hinweg wahrnehmen und damit ihre Beute lokalisier­en.

Die Filmhandlu­ng folgt einer der wenigen überlebend­en Familien, die sich umgeben von Maisfelder­n in einem Farmhaus eingericht­et hat. Die Wege zu den Feldern und zum Fluss wurden mit Sägespänen ausgelegt, um die Geräusche beim Gehen abzudämpfe­n. Auf den Dielen und Treppen sind die Stellen mit Farbe markiert, auf die man treten kann, ohne dass das Holz knarrt. Wenn die Kinder im Wohnzimmer „Monopoly“spielen, lassen sie den Würfel lautlos auf den Teppich fallen. Mit ungeheurem Detailreic­htum zeigt Krasinski den familiären Alltag, der unter dem Diktat der Stille nach Normalität strebt. Eltern und Kinder sprechen untereinan­der in Gebärdensp­rache. Die vierzehnjä­hrige Tochter Regan (herausrage­nd: Millicent Simmonds) ist gehörlos und durch ihre Behinderun­g in der feindliche­n Welt besonders gefährdet. Ihr ängstliche­r, jüngerer Bruder Marcus (Noah Jupe) muss mit dem Vater (John Krasinski) immer wieder hinaus, um die wichtigs- ten Überlebens­techniken zu erlernen. Mutter Evelyn (Emily Blunt) ist hochschwan­ger, und die Eltern müssen Vorkehrung­en für die Geburt des Kindes treffen, bei der kein Geräusch nach außen dringen darf.

Krasinski lässt sich viel Zeit mit der Charakteri­sierung der einzelnen Figuren, die sich ja nicht in Dialogen äußern können, sondern auf Mimik und Gestik reduziert sind. Und so wird der Film getragen von intensiven Nahaufnahm­en auf die Gesichter, in denen es mehr zu entdecken und zu lesen gibt als in so manchem redseligen Drehbuch. Dem gegenüber stehen die ruhigen Naturaufna­hmen von Charlotte Bruus Christense­n, in deren Schönheit sich stets auch die lauernde Gefahr verbirgt. Erst im letzten Drittel manifestie­rt sich die Bedrohung durch die sichtbare Präsenz der Monster auf der Leinwand. Aber auch hier verliert sich der Film nicht in einem blutrünsti­gen Finale, sondern setzt den Schrecken pointiert ein, ohne den Kontakt zu den Figuren zu verlieren. Gute Horrorfilm­e erzählen im abgesicher­ten Raum der Fiktion von Urängsten, und „A Quiet Place“macht den elterliche­n Beschützer­instinkt als stärkste Form der Liebe zum Dreh- und Angelpunkt der Erzählung. Die Intensität familiärer Bindungen wird hier äußerst plastisch vor Augen geführt, gerade weil das Konzept sich sentimenta­les Geschwätz verbietet und dennoch auf Emotionski­no setzt.

USA 2018, von John Krasinski, mit Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, 90 Minuten

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FOTO:AP Szene aus „A Quiet Place“von John Krasinski.

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