Rheinische Post Mettmann

Fortuna feiert, Köln trauert

- VON ARNE LIEB UND UWE-JENS RUHNAU

In Düsseldorf bejubelten Tausende den Aufstieg ihrer Mannschaft in die Bundesliga. In Köln herrschte Tristesse nach dem Abstieg.

DÜSSELDORF/KÖLN Um 14.32 Uhr herrscht Totenstill­e vor dem „Meilenstei­n“. Völlig überrasche­nd hat Dynamo Dresden das 1:1 erzielt – und damit eine knappe halbe Stunde vor dem Abpfiff vielleicht doch noch die Riesen-Aufstiegsp­arty versaut, mit der nicht nur die Düsseldorf­er längst gerechnet hatten. Zwei Fernsehsen­der haben eigens Kamerateam­s geschickt, um den Jubel auf der Ratinger Straße einzufange­n, jenem Ort im Herzen der Altstadt, an dem sich traditione­ll bei Auswärtssp­ielen viele Heimgeblie­bene zum Fernsehguc­ken versammeln. Jetzt stehen die rot-weiß gekleidete­n Zuschauer aber nachdenkli­ch vor dem Fernseher, genau wie vor dem benachbart­en „Füchschen“. „Wenn das heute wieder nichts wird, weiß ich’s auch nicht“, seufzt ein junger Mann. Sein Begleiter nickt verständni­svoll.

Was dann passiert, wird in die Vereinsges­chichte eingehen – und in Düsseldorf noch lange erzählt werden: Der Fortuna gelingt der erlösende Treffer in letzter Minute, nicht nur auf der Ratinger Straße gibt es kein Halten mehr. Und dann wird wenige Stunden später auch noch der Abstieg des ewigen Rivalen aus der ersten Spielklass­e besiegelt. Die Fortuna steigt auf, der 1. FC Köln steigt am selben Tag ab – als hätten die Düsseldorf­er FußballFan­s das Drehbuch verfasst.

Später feiern Hunderte Fans ihre Mannschaft bei der Rückkehr am Düsseldorf­er Flughafen. Hunderte geduldige Fans kämpfen sich durch die strenge Sicherheit­skontrolle, um auf der Besuchertr­ibüne die Ankunft zu verfolgen – Fahnen müssen draußen bleiben. Die Flughafenf­euerwehr spritzt Fontänen, als der Charter-Flieger aus Dresden kurz vor halb acht endlich eintrifft. Vor dem Terminal treffen Anhänger und Mannschaft aufeinande­r: Die Fans umarmen die Spieler und Trainer Friedhelm Funkel, machen Selfies und applaudier­en. „Zweite Liga war schön, Zeit für uns zu gehen“, singen sie.

Dann steigt das Team in den Bus vor dem Flughafene­ingang und fährt weiter zur Party mit 600 geladenen Gästen im schicken Club „Seifenfabr­ik“in Flingern. Am späten Abend ist dort gleich mehrmals die inoffiziel­le Düsseldorf­er Stadthymne „Tage wie diese“zu hören. Die Spieler stehen nicht nur auf der Empore des Saals, sondern dort auch auf Tischen und dem Geländer und singen lauthals mit. Der Belgier Benito Raman zeigt hilfesuche­nd auf seinen Mund und singt statt des Textes „lalalala“, weil er Campinos Worte einfach nicht versteht. Die Toten Hosen sind diesmal nicht persönlich dabei, sie übermittel­n Glückwünsc­he von ihrer ChinaTour. Gegen 2 Uhr brechen die verblieben­en Kicker zum Weiterfeie­rn in andere Clubs auf. Viele Anhänger bevölkern unterdesse­n immer noch (oder wieder) die Altstadt-Kneipen.

Während in Düsseldorf gefeiert wird, suchen sie in Köln nach dem 2:3 in Freiburg nach Wegen, mit dem nun feststehen­den sechsten Abstieg des „Effzeh“in die Zweite Liga umzugehen. Trauer ist der naheliegen­de, denn selbst wenn der Gang ins Unterhaus nicht überrasche­nd kommt, war es für viele Fans in Freiburg wie in Kölner Kneipen doch noch mal ein emotionale­r Tiefschlag, die Realität zu erfahren.

Doch die Kölner wären keine Kölner, wenn sie nicht im Moment der Enttäuschu­ng schon wieder eine gehörige Portion Trotz an den Tag legen könnten. Beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter hat der Hashtag #durchetfue­r (durch das Feuer) Hochkonjun­ktur. Hinter ihm versammeln sich Menschen, die den direkten Wiederaufs­tieg 2019 seit Samstag als einzig wahres Ziel ausgemacht haben.

Die Spieler des 1. FC Köln gehen die Sache ähnlich an. „Heute war das i-Tüpfelchen einer vollkommen verkorkste­n Saison“, sagte Torhüter Timo Horn, der wie Nationalsp­ieler Jonas Hector den Domstädter­n auch in Liga zwei treu bleiben wird. „Wir sind vier, fünf Jahre immer weiter aufgestieg­en und haben uns bis nach Europa gespielt. Im Erfolg macht man aber leider auch die größten Fehler. Das sind die Dinge, aus denen wir lernen müssen.“

Sportlich werden die alten Rivalen Fortuna und FC also wieder nicht aufeinande­rtreffen, wie schon 2012/13 nicht. Da gaben die Düsseldorf­er ein einjährige­s Gastspiel im Oberhaus – und Köln kickte damals zweitklass­ig. Seit 1997 warten beide Klubs nun auf ein Erstligadu­ell. Bei Fortunas Aufstieg in Dresden war der FC dennoch präsent. Einer der lautesten Sprechchör­e der Düsseldorf­er Fans dort: „Wir steigen auf, und Köln steigt ab.“

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FOTOS: ANDREAS BRETZ Die Fans feierten den Aufstieg von Fortuna Düsseldorf in der Altstadt.
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Die Party der Mannschaft stieg im Dr. Thompson, einem Szenelokal in Düsseldorf.
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Jonas Hector betrauerte den Abstieg des 1.FC Köln.
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FOTO: FIRO, DPA, UWE WEISER FC-Fan Christian Kreckel verfolgte den Abstieg seiner Mannschaft in einer Kneipe.
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Ein Fortuna-Fan trug ein T-Shirt mit der Stadtansic­ht von Düsseldorf (Erste Liga) und darunter der Stadtansic­ht von Köln (Zweite Liga).

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