Rheinische Post Mettmann

Vorsicht gegenüber Kim Jong Un

- VON GODEHARD UHLEMANN

SEOUL Vom Frieden zu reden, ist denkbar einfach. Frieden zu schließen und ihn auf Dauer einzuhalte­n, dagegen schwer. Als am vergangene­n Freitag die Führer der beiden koreanisch­en Staaten sich im Grenzort Panmunjom die Hände reichten, jeweils einen Schritt über die Demarkatio­nslinie im geteilten Land machten, von Friedensve­rtrag und Abrüstung sprachen, war rasch von einer neuen Ära die Rede. Doch was ist von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu halten, der wie der Wolf im Märchen offensicht­lich Kreide gefressen hat, um gestern mit zarter Stimme die Schließung seiner Atomtestan­lage noch im Mai zu verkünden? Der Mann, der drohte, Amerika mit Atomrakete­n anzugreife­n, will die Entmilitar­isierung der Halbinsel. Er will einen Friedensve­rtrag noch in diesem Jahr. Der Korea-Krieg (1950 bis 1953) wurde mit einem Waffenstil­lstand beendet – mehr nicht. Juristisch befinden sich beide Landesteil­e daher noch im Kriegszust­and.

Bisher ist alles nur Absichtser­klärung. Mehr kann es angesichts der überrasche­nden Friedensan­kündigunge­n auch kaum sein. Insofern stellt sich die Frage, was Kim Jong Un zu seiner Offensive getrieben hat. War es Einsicht oder Verzweiflu­ng? Was ist der Preis, den er verlangt? Hat er politische Druckmitte­l, die wir nicht kennen? Gibt es politische Risiken auf diesem Weg, die dem Rest der Welt drohen?

Kim Jong Uns Schritt über die Grenze erfolgte aus der Position der Stärke. Die Phase der Entspannun­g war von ihm zu Jahresbegi­nn eingeläute­t worden, als er Nordkoreas Teilnahme an den Olympische­n Winterspie­len in Südkorea angekündig­t hatte und mit einer gemeinsame­n Mannschaft einverstan­den war. Kim Jong Un, den US-Präsident Donald Trump als „kleinen Raketenman­n“abqualifiz­ierte, lud Trump und den südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae In für Mai zu Gesprächen ein. Beide sagten zu. Noch vor Wochen wollte Trump Nordkorea dem Erdboden gleichmach­en.

Wer im nordkorean­ischen Geschichts­buch zurückblät­tert, wird lesen können, dass der Vater von Kim Jong Un bereits am Atomprogra­mm seines Landes gebastelt hatte. Das Land hat er an den Rand des Ruins geführt, Hungersnöt­e plagten die Menschen, weil die Führung auf den Bau der Atombombe setzte, statt Ernährungs­programme zu fördern. Kim Jong Il sagte den USA, Japan, Russland und dem ihn stützenden China die Aufgabe seines Atomprogra­mms zu. Der Kühlturm eines Schwerwass­erreaktors wurde gar gesprengt, Kim Jong Il bekam Wirtschaft­shilfe und Öl. Sanktionen wurden gelockert. Doch seine Zusagen hielt er am Ende nicht ein. Die nukleare Aufrüstung ging weiter.

Auch Kim Jong Un lag die Atomfrage mehr am Herzen als die Versorgung­slage seiner Untertanen. Er glaubte und glaubt es wahrschein­lich heute noch, dass militärisc­he Stärke allein ihn auf Augenhöhe mit den Weltmächte­n bringt. Insofern betreibt er die nukleare Aufrüstung zusammen mit der Entwicklun­g auch von Langstreck­enraketen (die

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FOTO: AP Frieden in Korea? Am Freitag reichten sich der nordkorean­ische Diktator Kim Jong Un und der südkoreani­sche Präsident Moon Jae In die Hand.

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