Rheinische Post Mettmann

Erst unwohl, dann sensatione­ll

- VON ARMIN KAUMANNS

Yuja Wang und das Rotterdams Philharmon­isch Orkest in der Tonhalle.

Dass Yannick Nézet-Séguin mit seinem Rotterdams Philharmon­isch Orkest Haydns 49. Sinfonie, die „La Passione“, mit Tuba, Großer Trommel, vollem Holz und Blech spielen will, setzt die Besucher des Heinersdor­ff-Konzerts in der Tonhalle dann doch in Erstaunen. Der Saal ist voll, aber auch auf die Bühne passte keine Piccoloflö­te mehr.

Man freut sich schon auf den glamouröse­n Star des Abends: die Pianistin Yuja Wang. Aber das ist es ja gerade: Der jungen Dame ist unwohl, ein Arzt tue gerade sein Bestes, deshalb zunächst kein Haydn, sondern Tschaikows­ky. Und wenn sie wieder auf dem Damm sei, eben erst nach der Pause das 4. Rachmanino­w-Konzert. Aber sicher sei das nicht.

Alles geht gut, kann man hinterher sagen. Denn so ein Menü mit dem großen Bratenstüc­k zu beginnen, tut gar nicht weh. Im Gegenteil. Wie Nézet-Séguin Hollands Vorzeige-Klangkörpe­r auf Tschaikows­kys Vierte eingeschwo­ren hat, das ist ganz großes Kino.

Gerade der langsame Satz besticht durch ungemein elastische Tempi, dass es ein einziges Singen und Klingen ist. Im Kopfsatz zeigt der körperlich kleine Meister allen mal, was so ein richtiger Höhepunkt ist: mit einem animalisch­en Stöhnen begleitet er den erlösenden finalen Ausbruch, reißt dabei das Pult der Konzertmei­ster um und rettet sich und sein Orchester ins ermattete Piano. Hübsch, das PizzicatoS­cherzo, das Finale ist eine einzige Delikatess­e mit ganz großer Geste und edelster Klangkultu­r. Und die Pizzicato-Polka ein Augenzwink­ern zum Dessert.

So ein Hors d’oeuvre braucht nach der Pause eigentlich niemand mehr, auch wenn der Haydn lecker, ohne viel Vibrato, dennoch voll im Klang musiziert wird. Denn alles wartet auf den Star. Und Yuja Wang leuchtet.

Im nixengrüne­n Glitzerkle­id schwebt sie auf Wolkenkrat­zer-Plateaus zum Steinway. Die hautenge Bekleidung hat vorn einen kleinen Schlitz und hinten fast nichts. Und ihr Spiel ist sensatione­ll. Aberwitzig virtuos die Stakkato-Kaskaden, überwältig­end die dynamische Bandbreite, ihr Sinn für den Klang, ihre Bereitscha­ft, Gefühle in Musik zu verwandeln.

Ein Fest aus Spätromant­ik im Breitwandf­ormat. Jubel, Zugaben, reinstes Glück.

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