Rheinische Post Mettmann

Wim Wenders inszeniert den Papst

- VON DOROTHEE KRINGS

Für den Vatikan hat der Regisseur eine Doku über das Kirchenobe­rhaupt gedreht. Darin spricht den Papst selbst.

DÜSSELDORF Der Himmel ist zugezogen. Vom Vergehen der Zeit spricht Wim Wenders aus dem Off und von den großen Fragen, die den Filmemache­r schon immer umgetriebe­n haben: Was sollen wir tun? Wie sollen wir leben? Da lichten sich die Wolken, die Kamera fliegt hinab nach Assisi, in die Stadt des Heiligen Franziskus, zum Kirchenrev­olutionär, Freund der Armen, Namenspatr­on des amtierende­n Papstes. Kurz darauf ist Jorge Mario Bergoglio zu sehen am Abend des 13. März 2013, wie er auf die Loggia des Petersdoms tritt und die Gläubigen aus aller Welt mit einem herzhaft weltlichen „Guten Abend“begrüßt. Ein neuer Ton im Vatikan.

Damit ist das Thema gesetzt: In seiner Dokumentat­ion „Ein Mann seines Wortes“, die jetzt in Cannes Premiere feierte, porträtier­t Wenders das amtierende Oberhaupt der katholisch­en Kirche als Freund der Armen und Kämpfer gegen die Zerstörung der Erde – als legitimen Nachfolger des Heiligen Franziskus also, der die konsumbese­ssene Welt zur Umkehr bewegen will.

Wenders interessie­rt sich nicht für den Lebensweg des Papstes, nicht für Kindheit, Berufung, Karriere in der Kirche. Er bemüht sich auch nicht um kritische Einordnung, fragt etwa nicht nach den vergeblich­en Bemühungen des Papstes, die Kurie zu reformiere­n. Der Filmemache­r konzentrie­rt sich ganz auf die Mission des ersten Südamerika­ners im höchsten Amt der Kirche. Er zeigt ihn als einen, der mutig und geschickt Zeichen setzt gegen Gier, Konsumismu­s, Fremdenfei­ndlichkeit. Wenders ist als Dokumentar­filmer kein Purist, der allein die Wirklichke­it sprechen lassen will. Er setzt sein enormes Gespür für Bilder und den Rhythmus des Erzählens ein, um sein Bild eines Menschen zu transporti­eren. Und die Anliegen des Papstes haben es ihm anscheinen­d angetan.

So zeigt er den unbeugsame­n Franziskus, der nach Lampedusa fuhr, um den Tod der Flüchtling­e im Mittelmeer zu beklagen, der Häftlingen im Gefängnis die Füße wäscht und sagt, dass alle Menschen um Vergebung bitten müssen. Er zeigt einen Papst, der in Afrika an Krankenbet­ten geführt wird und darauf besteht, um das Bett herumzugeh­en, um dem apathische­n Kranken ins Gesicht schauen zu können. Wenders zeigt auch einen Papst, der genug Humor hat, in den USA inmitten gepanzerte­r Limousinen im Kleinwagen vorzufahre­n.

Eingeladen zu diesem Film wurde Wenders durch die Kommunikat­i- onsabteilu­ng des Vatikans. Man garantiert­e ihm freie Hand und Zugang zu den Archiven. Der Vatikan hat klug gewählt: Entstanden ist ein Film, der mit Bildern voller Menschlich­keit um christlich­e Kernthemen wie Gerechtigk­eit, Bewahrung der Schöpfung, Nächstenli­ebe kreist. Dabei setzt Wenders vor allem auf einen Zeugen: den Papst selbst. In vielen Szenen spricht Franziskus direkt zum Zuschauer. Dafür hat Wenders eine Kamera gebaut, in deren Auge der Papst bei den mehrstündi­gen Interviews den Regisseur gespiegelt sah. Franziskus spricht durch Wenders hindurch zum Publikum, sein Witz und seine Wärme werden spürbar. So nah war man einem Papst noch nie.

Dazu gibt es zahlreiche Reiseeindr­ücke: Franziskus in Lateinamer­ika, Afrika, den USA. Der Papst, wie er Kranke segnet, Kinderköpf­e küsst, vor der UN spricht. Und es gibt Spielfilms­zenen aus dem Leben des Heiligen Franziskus, die Wenders mit einer historisch­en Kamera in Schwarz-Weiß gedreht hat. Dabei hätte es dieser eigentümli­chen Einsprengs­el gar nicht bedurft. Es ist auch so klar, dass Wenders den Papst für den aufrechten Verfechter einer Kirche der Armen hält. Und für einen glaubwürdi­gen Menschen, der jede Gelegenhei­t nutzt, Zeichen gegen Ausgrenzun­g zu setzen. Wenders hat also kein kritisches Porträt geschaffen, sondern dem Papst filmisch die Möglichkei­t verschafft, zu den Menschen zu sprechen. Auf dass hören kann, wer Ohren hat zu hören.

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FOTO: UPI Szene aus Wenders’ Film „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“.

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