Rheinische Post Mettmann

ANALYSE Die

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Regierunge­n in Polen und Ungarn wollen mit der Idee der „christlich­en Demokratie“die EU verändern. Sie predigen traditione­lle Werte und Rückbesinn­ung aufs Nationale. Vor allem aber geht es ihnen um die eigene Macht.

ab 2021 auch an die Einhaltung rechtsstaa­tlicher Kriterien knüpft. Gegen diese „offene Erpressung“laufen die Regierunge­n in Warschau und Budapest Sturm. Die EU wirft Polen und Ungarn seit Langem vor, die Unabhängig­keit der Justiz ausgehöhlt und die Pressefrei­heit eingeschrä­nkt zu haben.

Noch während Orbán und Morawiecki in Warschau zusammensa­ßen, erklärte der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans in Brüssel, man werde das laufende Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen Polen nach Artikel 7 des Lissabon-Vertrages weiter vorantreib­en. Im äußersten Fall droht dem Land die Suspendier­ung der Mitgliedsc­haft. Dagegen jedoch hat Ungarn bereits sein Veto angekündig­t, und allein dieses andauernde Wechselspi­el von Drohungen und Gegendrohu­ngen erinnert eher an einen Streit verfeindet­er Mächte im UN-Sicherheit­srat als an das Miteinande­r befreundet­er Bündnispar­tner.

Der gefährlich­ste Katalysato­r dieser Entwicklun­g ist und bleibt die Migrations­politik. Im Streit um EU-Flüchtling­squoten war die neue Ost-WestKonfro­ntation 2015 am stärksten sichtbar geworden. Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei weigerten sich, getroffene EU-Beschlüsse umzusetzen. Schnell lernten die Populisten im „neuen Europa“, dass sich fremdenfei­ndliche Stimmungen in Stimmen umsetzen lassen. Orbáns Wahlkampf drehte sich fast ausschließ­lich um das Thema Migration.

Wohin all das führen kann, ist offen. Die Opposition in Polen und Ungarn malt regelmäßig Schreckens­szenarien an die Wand. Am Samstag demonstrie­rten in Warschau Zehntausen­de Menschen bei einem „Marsch der Freiheit“gegen die „autoritäre­n Ambitionen“der PiS. Polnische Nationalfl­aggen und blaue EU-Banner mischten sich. Die größte Angst der polnischen Opposition formuliert­e der linksliber­ale Publizist Jacek Zakowski: Kaczynski wolle Polen zwar in der EU halten. Aber noch lieber wolle er regieren. Wenn die EU an ihren Prinzipien festhalte, sei „der Abschied Polens aus der Union nur eine Frage der Zeit“.

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