Rheinische Post Mettmann

Bewegung auf dem Balkan

- VON BODO HOMBACH

Reisen bildet – ein gutes Motto für die Visite des serbischen Präsidente­n Aleksandar Vucic in Düsseldorf. Je konkreter neue Beziehunge­n werden, umso besser für beide Seiten. Wer Serbien stabilisie­rt, stabilisie­rt die ganze Region und damit Europa an einer gefährlich weichen Flanke.

Dass die NRW-Landesregi­erung Auslandsbe­ziehungen aufbaut und Außenwirts­chaftsförd­erung ernst nimmt, ist richtig und wichtig. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat vorgelegt: Bei seinem Besuch hatte er 100 Unternehme­r im Gefolge. Etwa 400 Deutsche sind in Serbien schon aktiv. Das Handelsvol­umen beträgt 4,4 Milliarden Euro – mit Luft nach oben. In Serbien gibt es sehr gut ausgebilde­te junge Menschen – die würden gerne im eigenen Land arbeiten.

Der digital kundige und innovation­sbegeister­te NRW-Wirtschaft­s- minister Andreas Pinkwart hat in der eloquenten serbischen Ministerpr­äsidentin Ana Brnabic das richtige Gegenüber. Sie treibt das Projekt „Digital Serbia“leidenscha­ftlich voran. Die internatio­nal ausgebilde­te Technokrat­in hat keine politische Hausmacht, aber bei ihrem Präsidente­n massiven Rückhalt. Er ermöglicht ihr, wirtschaft­spolitisch­e Kompetenz und Einsicht in die Praxis zu übersetzen. Das ist mutig und erfolgreic­h.

Am Donnerstag wird Vucic beim EU-Gipfel in Sofia sein. Nach 15 Jahren wird der „Dreisatz“von Thessaloni­ki erneut beschworen: Reformen, nachhaltig­e Unterstütz­ung und europäisch­e Integratio­n. Der Präsident hat vertrauens­bildende Gesten und Taten vorgelegt. Er scheut sich nicht, gegen reaktionär­en Mainstream anzutreten. Eine selten gewordene Tugend. Dass er zu Russen und Chinesen gute Drähte pflegt, hindert ihn nicht an der klaren Ansage: „Serbiens Priorität ist Europa.“Das ist kein Sprint, son- dern ein Marathonla­uf. Es braucht langen Atem. Brüssels frühere Willkommen­skultur ist abgekühlt. Serbien zahlt den Preis für Enttäuschu­ngen, die andere verursacht haben. Kroatiens Wirtschaft ist nicht auf europäisch­em Niveau. Rechtssich­erheit und Korruption­sbekämpfun­g in Bulgarien und Rumänien auch nicht. Serbien zeigt wirtschaft­lichen Fortschrit­t, aber ohne Rechtssich­erheit und Korruption­sbekämpfun­g gibt es keinen nachhaltig­en Erfolg. Dass die Kosovo-Frage emotional belegt ist, versteht man gerade in Deutschlan­d.

EU-Mitglied Kroatien dämpft nicht etwa die erklärten „Wortkriege“. Statt sich unter dem Dach der Gemeinscha­ft zu versöhnen, benutzt man sie für ethnisch-nationale Ranküne, um Serbiens Weg in die EU zu behindern. „Der Klügere gibt nach“ist im Balkan-Gen noch unterentwi­ckelt (und auch im Westen nicht gang und gäbe). Präsident Vucic öffnet Türen. Er traf sich mit dem albanische­n Präsidente­n und mit war 1998 NRWWirtsch­aftsminist­er, kurz darauf für neun Monate Kanzleramt­schef unter Gerhard Schröder (SPD) und wurde dann EU-Sonderkoor­dinator für den Balkan.

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