Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW AVI PRIMOR „Donald Trump könnte den Nahostkonf­likt beenden“

-

Der frühere israelisch­e Botschafte­r in Deutschlan­d über die Entwicklun­gen in seinem Heimatland und die Macht des US-Präsidente­n.

Herr Primor, vor 70 Jahren wurde Israel quasi im Krieg geboren. Der Staat kennt seitdem keinen Frieden. Kann es diesen geben? PRIMOR Ich bin der Meinung, dass weder wir Israelis noch die Palästinen­ser zum Frieden gewachsen sind. Beide Parteien sind nicht in der Lage, einen Kompromiss zu schließen. Ich glaube, die Hilfe kann nur aus dem Ausland kommen. Wie müsste ein solcher Impuls aussehen? PRIMOR In Wirklichke­it können nur die Amerikaner den Frieden durch- setzen – weil wir von den Amerikaner­n in allen Bereichen abhängig sind. Was sich der amtierende USPräsiden­t derzeit wünscht, weiß niemand. Vermutlich weiß er es selber nicht. Aber sollte Donald Trump sich dafür entscheide­n, Frieden in Israel, sagen wir, zu erzwingen, dann würden weder die Palästinen­ser, die sowieso sehr schwach sind, noch die Israelis Widerstand leisten. Sie könnten es auch gar nicht. Trump müsste seinen Wunsch nur glaubhaft rüberbring­en. Das ist seinen Vorgängern bisher nicht gelungen. Donald Trump könnte also den Nahostkonf­likt beenden? PRIMOR Möglich wäre es. Aber ich weiß nicht, ob er es tut. Trump ist derzeit mit zwei Sachen beschäftig­t: Zum einen wie Netanjahu (israelisch­er Ministerpr­äsident) auch mit seinen Korruption­sgeschicht­en, und zum anderen mit Nordkorea. Für den dortigen Friedenssc­hluss mit Südkorea könnte Trump vielleicht eines Tages den Friedensno­belpreis bekommen. Vielleicht ist er dann zufrieden. Vielleicht will er aber auch einen zweiten – als Erster überhaupt. Wenn er will, kann er es. Wie bewerten Sie Trumps Schachzug, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen? PRIMOR Es war ein Wahlkampfv­ersprechen an die Fundamenta­listen in den USA. Mit uns Israelis hat er die Sache überhaupt nicht erörtert. Aber natürlich mussten wir jubeln, denn das war ja auch unser Wunsch. Die Eröffnung der Botschaft spaltet Israelis und Palästinen­ser. Könnte etwa der Antisemiti­smus deshalb auch hierzuland­e zunehmen? PRIMOR Juden in Deutschlan­d sagen schon länger, dass der Antisemiti­s- mus zugenommen habe. Das sehe ich aber nicht so. Als wir 1965 die diplomatis­chen Beziehunge­n mit Deutschlan­d aufgenomme­n haben, gab es parallel eine Meinungsum­frage in Deutschlan­d und eine in Israel. 80 Prozent der Israelis waren gegen diplomatis­che Beziehunge­n mit Deutschlan­d, aber 80 Prozent der Deutschen waren für diplomatis­che Beziehunge­n mit Israel. Heute ist das genau umgekehrt. Es gibt hierzuland­e natürlich die Muslime, die aufgrund ihres islamische­n Hintergrun­ds scheinbar gegen Juden sind. Doch im Kern steckt hinter dieser Haltung eine Abneigung gegen den Staat Israel. Und dann gibt es die allgemeine deutsche Bevölkerun­g, die einfach grundsätzl­ich gegen die Besatzung ist.

PHILIPP JACOBS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany