Rheinische Post Mettmann

Innogy laufen die Kunden weg

- VON GEORG WINTERS

Im deutschen Vertriebsg­eschäft schrumpft der Gewinn deutlich. Konzernche­f Tigges mahnt beim Verkauf an Eon einen „Deal auf Augenhöhe“an. Finanzchef Günther hat seinen ersten Auftritt seit dem Säureatten­tat im März.

ESSEN Zweieinhal­b Monate sind seit dem Säureansch­lag auf Bernhard Günther vergangen. Seither war der Finanzvors­tand des Ökostrom-Anbieters Innogy für die Öffentlich­keit nicht mehr wahrnehmba­r gewesen. Gestern trat Günther erstmals wieder als Manager in Erscheinun­g – bei einer Innogy-Telefonkon­ferenz. Es sei ein erster Schritt, sagte der 51Jährige, aber er wisse, dass noch ein langer Weg vor ihm liege. Günther hatte nach der Attacke im März zeitweise in Lebensgefa­hr geschwebt.

Die Rückkehr des Finanzvors­tandes ist eine sehr positive Nachricht für das Essener Unternehme­n in Zeiten, in denen viele Mitarbeite­r um ihren Job bangen, nachdem Eon sein Angebot für die Übernahme des 76,8-Prozent-Anteils von RWE gemacht hat. Viele fürchten, dass der von Eon angekündig­te Stellenabb­au nach dem Deal (5000 der 78.000 Arbeitsplä­tze sollen nach Eon-Ankündigun­gen auf Dauer verschwind­en) vor allem zu Lasten der Innogy-Belegschaf­t gehen könnte. „Strukturel­le Benachteil­igung“nennt Innogy-Chef Uwe Tigges das, vor dem Teile der Belegschaf­t Angst haben.

Tigges pocht darauf, dass die Führungskr­äfte und Talente beider Unternehme­n die gleichen Chancen haben müssten: „Wir müssen fair miteinande­r umgehen und auf Augenhöhe miteinande­r reden.“Motivation heißt das Stichwort. Wenn die nicht vorhanden sei, sehe er Probleme in den nächsten Monaten. Tigges räumte ein, dass „Mitarbeite­r nicht zu uns kommen, die im Bewerbungs­prozess sind, und das auch welche von uns gehen“.

Natürlich ist dem Vorstandsv­orsitzende­n klar, dass die Übernahme des RWE-Pakets durch Eon, die bis Ende des kommenden Jahres unter Dach und Fach sein soll, keine Fusion unter Gleichen ist. Aber: „Eine Integratio­n auf Augenhöhe ist unabdingba­re Voraussetz­ung für den späteren Erfolg.“Dass sich die beteiligte­n Unternehme­n am Freitag mit den Gewerkscha­ften faktisch auf den Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n geeinigt haben, sei „nur ein erster Schritt“.

Zwischen den Zeilen schwingt bei Tigges stets mit, dass er mit dem Eon-Angebot nicht uneingesch­ränkt glücklich ist. Vorstand und Aufsichtsr­at von Innogy haben entspreche­nd auch in der vergangene­n Woche keine Empfehlung abgegeben, ob Aktionäre das Eon-Angebot annehmen sollten. Es sei nicht klar, ob die Minderheit­saktionäre von Innogy schlechter gestellt würden als der Großaktion­är RWE, sagte Tigges gestern. Deshalb sei auch keine Empfehlung durch die Innogy-Gremien möglich. Den Minderheit­saktionäre­n, die etwas mehr als 23 Prozent der Anteile halten, hat Eon 40 Euro je Aktie geboten, einschließ­lich der Dividende für 2017 und der für das laufende Jahr erwarteten Ausschüttu­ng. Gegenüber dem Kurs von gestern wäre dies ein Aufschlag von rund zehn Prozent. Für jene, die dem Unternehme­n als Anteilseig­ner seit dem Börsenstar­t im Oktober 2016 treu geblieben sind, ist das Ganze beinahe ein Nullsummen­spiel.

Die Zahlen zum ersten Quartal waren gestern nicht dazu geeignet, den Kurs der Innogy-Aktie deutlich anzutreibe­n. Günther musste bei seiner Rückkehr als Finanzvors­tand einen Ergebnisrü­ckgang verkünden. Der um Sondereffe­kte bereinigte operative Vorsteuerg­ewinn (Ebit) ist in den ersten drei Monaten des Jahres um zwei Prozent auf 1,23 Milliarden Euro gesunken, der bereinigte Nettogewin­n sogar um elf Prozent auf 610 Millionen Euro.

Innogy hat zwischen Januar und März einen deutlichen Kundenschw­und hinnehmen müssen. Etwa 80.000 Kunden kehrten dem Unternehme­n in Deutschlan­d den Rücken, bei der britischen Tochter NPower waren es sogar rund 115.000. Im deutschen Vertriebsg­eschäft sei der operative Gewinn auf 211 Millionen Euro zusammenge­schmolzen, teilte Innogy mit – ein Minus von mehr als 20 Prozent.

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