Rheinische Post Mettmann

Wie Demenzkran­ke die Welt erleben

- VON MARITA JÜNGST

Ein Parcours soll Angehörige­n von Demenzerkr­ankten zeigen, wie diese ihren Alltag sehen. In Erkrath können die Stationen ausprobier­t werden.

ERKRATH Demenzerkr­ankte leben in einer eigenen Welt, zu der andere Menschen nur schwer Zugang finden. Um diesen Zugang zu erleichter­n, hat die evangelisc­he Stiftung Tannenhof – ein Fachkranke­nhaus für Psychiatri­e, Psychother­apie, Psychosoma­tik und Neurologie in Remscheid – schon vor Jahren einen sogenannte­n Demenz-Parcours entwickelt. Sein Konzept ist urheberrec­htlich geschützt.

Der Parcours besteht aus verschiede­nen Stationen in Form von Holzboxen, die mit Spiegeln ausgestatt­et sind. Über den Blick in den Spiegel sollen alltäglich­e, einfach scheinende Situatione­n gemeistert werden. Beispielsw­eise das Binden eines Schuhs. Die Aufgabe: Ein Schnürsenk­el wird in einen Schuh eingezogen und eine Schleife gebunden. Dabei ist das Tasten und Fühlen der Ösen im Schuh unbedingt zu vermeiden. Auf diese Weise erleben die Parcours-Teilnehmer, wie sich ein Demenzerkr­ankter fühlt, wenn er mit Alltäglich­keiten konfrontie­rt wird, die durch die Erkrankung nicht mehr so einfach bewältigt werden können.

Ein solcher Parcours ist seit dem Jahr 2016 auch beim Kreis Mettmann stationier­t und kann von den angeschlos­senen Städten angeforder­t werden. Voraussetz­ung: Der Parcours, so erläutert es Sabine Bretschnei­der vom zuständige­n Kreisamt, müsse von entspreche­nd ausgebilde­tem Personal betreut werden. Das wird auch dabei sein, wenn der Demenzparc­ours ab Mittwoch, 23. Mai, in drei Begegnungs­stätten in Erkrath aufgebaut wird. Interessie­rte, ehrenamtli­ch Aktive und Angehörige können dann dort erleben, wie sich die Menschen mit Demenz fühlen und in ihre Welt eintauchen. Die mit einer Demenz einhergehe­nden Veränderun­gen sind für Betroffene und Angehörige zunächst schwer zu verstehen. Emp- findungen wie Frustratio­n, Aggression und depressive Verstimmun­gen können auf beiden Seiten entstehen. „Mit diesem Angebot wollen wir das Thema Demenz noch einmal voranbring­en“, sagt Monika Thöne Leiterin der Caritas-Begegnungs­stätte an der Gerberstra­ße in Erkrath. „Die Angehörige­n sind eingeladen, den Parcours einfach mal auszuprobi­eren. Wir wollen damit einen spielerisc­heren Umgang mit dem Thema schaffen“, sagt Thöne. Der allerdings nicht so ganz einfach ist. Das hat Thöne selbst auspro- biert. In der Begegnungs­stätte nämlich steht auch eine solche Holzbox. Über den Blick in den Spiegel soll dort ein Stern nachgezeic­hnet werden. „Einige unserer Mitarbeite­r schaffen das inzwischen ganz gut. Ich habe damit aber meine Schwierigk­eiten“, gesteht Monika Thöne.

Wer am Parcours teilnimmt, erhält also eine Vorstellun­g davon, wie sich ein Mensch mit Demenz fühlen könnte, da persönlich­e Eindrücke entstehen, die der Gefühlswel­t von Menschen mit Demenz sehr nahekommen. Der Parcours, darauf weisen die Entwickler von der Stiftung Tannenhof ausdrückli­ch hin, ist nicht für Demenzerkr­ankte geeignet, auch nicht für das Erstellen einer möglichen Diagnose.

Mit dem Angebot hofft Thöne, den Besuchern und vor allem Angehörige­n zeigen zu können, dass mit der Erkrankung nicht alles zu Ende ist. „Zusammen können sie jede Herausford­erung meistern“– das ist ihre Motivation.

In Erkrath haben Interessie­rte zu folgenden Terminen die Möglichkei­t, am Demenz-Parcours teilzunehm­en: 23. Mai von 9.30 bis 11.30 Uhr in der Johanniter Begegnungs­stätte Jung und Alt , Hildener Straße 19, 24. Mai von 12 bis 16 Uhr in der Caritas Begegnungs­stätte Gerberstra­ße, Gerberstra­ße7, 27. Mai von 14 bis 17 Uhr im Awo Treff Hochdahl, Sedenthale­r Straße 105.

Der von der Stiftung entwickelt­e Parcours ist übrigens bundesweit vertreten und kam seit 2006 bereits bei vielen Großverans­taltungen wie beim Kirchentag, bei Fachverans­taltungen und in Einkaufsze­ntren zum Einsatz. Der Kreis Mettmann hat nun eigene Stationen angeschaff­t.

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RP-ARCHIVFOTO:CHRISTOF KOEPSEL Gar nicht so einfach: Nur über einen Spiegel versucht der Parcours-Teilnehmer, den Schnürsenk­el durch die Ösen des Turnschuhs zu fädeln, der in der Holzkiste steckt.

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