Wolfgang Niedecken auf sentimentaler Reise
Der BAP-Chef sang bei einem exklusiven Konzert Coverversionen von Leonard Cohen und den Beatles zu Gitarre und Klavier.
Zugeklappt sieht der neue Steinway B-211 mit der Seriennummer 607003 aus wie ein ganz normaler Flügel des Traditionshauses – mit formvollendetem Schwung, schwarz-glänzend lackiert. Klappt man jedoch Tasten- und Hinterdeckel hoch, dann geht die Sonne auf: Von innen sind die Deckel mit der berühmten Sunburst-Lackierung verziert, die man sonst von E-Gitarren wie der Fender Stratocaster kennt. Die Idee, eine Spezial-Edition von Flügeln in dieser Lackierung aufzulegen, hatte Wolfgang Niedecken von BAP. Und der ließ es sich nicht nehmen, das Instrument in der Düsseldorfer Niederlassung persönlich vorzustellen.
Rockgeschichtlich macht ein Sunburst-Flügel tatsächlich Sinn: Seit frühsten Tagen haben Pianisten das Genre stark geprägt: Jerry Lee Lewis, Fats Domino, Little Richard, Ray Charles, Billy Joel – man könnte diese Liste noch lange fortführen. Wolfgang Niedecken passt nicht wirklich rein, er ist Gitarrist, aber er sitzt mit seinem Kölsch-Rock sowieso zwischen allen Stühlen. Lauscht man seinen ausschweifenden Erzählungen im kleinen Kreise geladener Gäste bei Steinway, dann scheint das ein guter Platz zu sein: Niedecken trifft auf seinen Reisen Legende um Legende – zuletzt Peter Gabriel und Session-Musiker von Pink Floyd und Bruce Springsteen bei der Vorstellung des SunburstFlügels in den Londoner Abbey Road Studios, wo die Beatles die meisten ihrer Platten eingespielt haben.
Zum großen Freundes- und Bekanntenkreis des BAP-Barden gehört auch Cliff Rehr, Personalchef von Steinway in Hamburg, und so ergab es sich, dass er vor drei Jahren mit der Frage nach einer neuen Spezial-Edition konfrontiert wurde: „Erstmal dachte ich darüber ähnlich wie über Motorräder“, erinnert sich Wolfgang Niedecken: „Sie dürfen alle Farben haben, solange sie schwarz sind.“Doch dann kam ihm die Idee: Warum nicht mal eine kleine Auflage mit dem legendären Farbverlauf der Rockgitarre verwirklichen?
Genau 69 Stück hat Steinway von den innen rot-golden schimmernden Flügeln produziert. Die Zahl ist eine Hommage an das Jahr 1969. „Damals brachten die Beatles das Album ‚Abbey Road‘ heraus, und das Woodstock-Festival fand statt – viele von Ihnen waren sicher dabei“, scherzt Niedecken. Am Piano hat schon sein Bandkollege Michael Nass Platz genommen und spielt ein ausgedehntes Intro, damit den Zu- hörern klar wird: Lackierung hin oder her – dieses Instrument klingt nach einem Steinway in höchster Perfektion, feinperlend, zupackend oder weich und samtig, ganz so wie der Spieler es haben will.
Im Verlauf des exklusiven und exquisiten Konzerts, das das Duo in einer Ecke des Ladens spielt, geht Wolfgang Niedecken auf eine sentimentale Reise – als habe ihn der Spezial-Flügel zurück in die eigene Rockgeschichte geschickt. Zwischen „All ming Jedanke“und „All die Augenblicke“, seinem späten, herzerwärmenden und weltweisen Song über das Glück eines erfüllten Lebens, spielt er auch skurrile Cover-Versionen großer Folk- und Rocksongs, die man nur live erleben kann: Niedecken macht Leonard Cohens „Famous Blue Raincoat“zu „Wat schriev mer en su enem Fall?“. Das mag albern klingen, bekommt im Ergebnis aber eine ganz eigene Poesie.
Auch The Beatles‘ „Rocky Racoon“hat der Kölner umgedichtet.
„Pianos dürfen alle Farben haben,
solange sie schwarz sind“
Es beginnt jetzt so: „Karl-Heinz Buhr war unheimlich stur.“Nun ja. Ein Mann, der es schafft, dass ein Publikum in der Düsseldorfer Innenstadt Kölsch vom Fass trinkt, darf auch das.
Nach einer guten Stunde entlässt Wolfgang Niedecken sein Publikum in den lauen Sommerabend – doch gleich neben dem Eingang wird es aufgehalten. Steinway hat noch ein Ass im Ärmel, die Sunburst-Collection ist nach 165 Jahren Klavierbau nicht die einzige Innovation. Im Schaufenster wirft Niederlassungsleiter Walther Steindlegger mit einem iPad den Spirio an, einen selbstspielenden Flügel. Der ist technisch so ausgereift, dass er auch historische Aufnahmen perfekt in der dynamischen Gestaltung und den interpretatorischen Eigenarten ihrer Pianisten live zum Klingen bringen kann. Auf dem Bildschirm spielt George Gershwin „I Got Rhythm“1931 in New York – und der Spirio gibt dieses einzigartige Klangdokument in all seiner überbordenden Kraft wieder. Hätte es damals die Sunburst-Lackierung gegeben, zu diesem historischen Moment hätte sie bestens gepasst.