Wahlentscheidung aus dem Bauch
Welche Emotionen die Gefühle gegenüber den Parteien bestimmen.
BERLIN Wenn nicht die Analyse im Kopf zur Wahlentscheidung führt, sondern das Bauchgefühl bestimmt, wo das Kreuz zu machen ist, dann lassen sich Wahlergebnisse auch ganz neu interpretieren. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres drei repräsentative Gefühlsumfragen gestartet und eine deutliche Polarisierung der Gesellschaft zutage gefördert: Demnach verbinden die Menschen mit der AfD Wut, Angst, Verzweiflung und Empörung, mit den anderen Parteien unterschiedlich ausgeprägt Stabilität, Vertrauen, Zufriedenheit und Hoffnung.
KAS-Vorsitzender Norbert Lammert fühlte sich bei der Vorstellung der Studienergebnisse sogleich an die 1972er „Willy-wählen“-Kampagne erinnert, die der SPD von Kanzler Willy Brandt einen Erdrutschsieg bescherte. Zwar wollte sich der CDU-Politiker in seiner neuen Funktion nicht zu weit in die Tagespolitik hineinhängen. Aber er riet zumindest zu „Vorsicht“bei dem Versuch der CSU, AfD-Wähler mit einer „konservativen Revolution“und ähnlichen scharfen Thesen zurückgewinnen zu wollen.
Ein Beleg ist die Reaktion auf den Satz „Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für Deutschland“. 83 Prozent der AfD-Anhänger identifizieren sich damit. Und 53 Prozent der Linken-Anhänger. Bei den Grünen sind es 22, bei der SPD 17, bei der FDP 15 und bei der Union 14.
Weil in die erste Befragungsphase das Platzen der Jamaika-Sondierungen fiel, beauftragte die KAS die Demoskopen von Infratest dimap mit einer weiteren Befragung Anfang Februar, als die große Koalition gerade ausgehandelt war. So lässt sich aus dem Vergleich herauslesen, dass vor allem die Anhänger von SPD und Grünen dem Aus für Jamaika nachtrauerten, FDP- und Unionssympathisanten jedoch bessere Gefühle hatten. Kurz vor dem SPD-Parteitag wurde bei den Freunden der Genossen „Verzweiflung“häufiger genannt. Sicher nicht nur als Bauchgefühl.