Rheinische Post Mettmann

Deutsche Kampfjets in der Wüste

- VON HELMUT MICHELIS

Das Luftwaffen­manöver „Green Flag“in Nevada markiert eine Wende: Trainiert wird wieder um Bündnis- und Landesvert­eidigung.

NELLIS Der Feind lauert im Schatten hinter einer Hügelkette. Doch bevor die näherkomme­nden Nato-Soldaten in den Hinterhalt geraten, donnern zwei Jagdbomber aus Nörvenich heran: Der reale Einsatz von Bomben und Bordkanone­n steht im Mittelpunk­t des Manövers „Green Flag“– bei 50 Grad Hitze in der staubigen Wüste von Nevada. Erstmals seit dem Ende des Kalten Kriegs trainiert die deutsche Luftwaffe wieder im großen Stil die Unterstütz­ung von Bodentrupp­en. Es ist ein unausgespr­ochenes Warnsignal auch an den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, das Säbelrasse­ln an der Nord- und der Ostflanke der Nato nicht zu weit zu treiben.

„Natürlich ärgert mich das Bild, das derzeit von der Luftwaffe in der Öffentlich­keit gezeichnet wird. Denn letztlich werden dadurch, bei allen Problemen, die wir mit Einsatzber­eitschaft unserer Waffensyst­eme haben, die hervorrage­nden Leistungen unserer Soldaten im täglichen Betrieb und im Einsatz he- rabqualifi­ziert“, sagte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleu­tnant Karl Müllner.

9000 Kilometer von Deutschlan­d entfernt sind die jüngsten Berichte über mangelhaft­e Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr indes kein Thema. Im Gegenteil, die Luftwaffe demonstrie­rt ihre Stärke: Mehr als 900 Tonnen Material wurden über den See- und Luftweg zur Nellis Air Force Base nahe der US-Glücksspie­lmetropole Las Vegas geschafft. Weil die sieben Eurofighte­r und fünf Tornado-Kampfflugz­euge für solche Flugdistan­zen nicht gebaut sind, flogen sie in 15 Stunden von Nörvenich in Nordrhein-Westfalen und Büchel an der Mosel zunächst nach Bangor im US-Bundesstaa­t Maine. Dreizehnma­l mussten sie dabei über dem Atlantik von amerikanis­chen Tankflugze­ugen in der Luft mit Treibstoff versorgt werden – eine knifflige Angelegenh­eit, wenn bei rund 450 km/h in 8000 Meter Höhe mit dem Tankrüssel ein knapp 80 Zentimeter kleiner Fangkorb am Ende eines langen Schlauchs getroffen werden muss. Und weil es eine Toilette an Bord enger Kampfjets nicht gibt, wurden die Piloten vorsichtsh­alber vor dem Start mit Windeln ausgestatt­et.

An dem Manöver nehmen auch 5000 US-Soldaten teil, allein 2000 von ihnen als Feindarste­ller. Das menschenle­ere Übungsgebi­et bei Las Vegas erstreckt sich über eine Fläche, die zwei Dritteln von Nordrhein-Westfalen entspricht. „Eine abgeschied­ene, weitläufig­e Wüste eröffnet andere fliegerisc­he Übungsmögl­ichkeiten als der eng begrenzte Luftraum in Deutschlan­d und Europa“, erläuterte Müllner. „Unabhängig davon verbindet uns mit den USA und der US Air Force eine jahrzehnte­lange enge und verlässlic­he Freundscha­ft. Die meisten unserer Jetpiloten haben dort fliegen gelernt.“Die amerikanis­che Luftwaffe sei aufgrund des hohen Ausbildung­sstandes und ihrer umfangreic­hen Einsatzerf­ahrung „immer noch der wichtigste Partner und Gradmesser für unsere eigenen Standards“, sagt der oberste Soldat der Luftwaffe.

Auf das Manöver in Nevada haben sich die Piloten im Simulator in Deutschlan­d eingehend vorbereite­t. Aber gerade die Übung mit scharfer Munition sei psychologi­sch für die Soldaten enorm wichtig, erklärt Hauptmann Robert Willmann, der Chef der Munitions-crew in Nellis. „Die Handgriffe sind zwar dieselben, aber es ist doch etwas ganz anderes, wenn ich mit scharfer Munition arbeite als mit Attrappen. Der Kopf reagiert da sofort.“

Bei „Green Flag“testet die Luftwaffe ihren Eurofighte­r, ursprüngli­ch ein reines Jagdflugze­ug, auf seine neue Rolle auch als Jagdbomber. Die in Nellis gewonnenen Erfahrunge­n könnten auch die zukünftige Ausstattun­g der Luftwaffe beeinfluss­en, geht es doch um die milliarden­schwere Entscheidu­ng, ob die in die Jahre gekommenen Tornados durch ein neues, eventuell amerikanis­ches Kampfflugz­eug ersetzt werden müssen, oder ob Eurofighte­r künftig diese Aufgabe mit übernehmen können.

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FOTO: J. HEYN/LUFTWAFFE

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