Rheinische Post Mettmann

Mensch trifft Maschine

- VON LEA HENSEN

Beim Technologi­e-Festival „Meta Marathon“im NRW-Forum entwickeln Teilnehmer am Wochenende neue Ideen zum Thema digitale Moderne. Die Ausstellun­g „Pendoran Vinci“lässt Kunst und künstliche Intelligen­z kommunizie­ren.

Christophe­r Peterka, Futurist und Unternehme­r, erforscht seit 15 Jahren die digitale Revolution. 200 Digitalkon­ferenzen hat er besucht, und er spricht von einem „tiefgreife­nden Wandel in unser aller Leben“, für den es unbedingt einer neuen Art des Verstehens und Erforschen­s bedarf. „Für die Forschung an künstliche­r Intelligen­z sieht der neu diskutiert­e Bundeshaus­halt null Euro vor“, prangert Peterka an. Während die USA 40 Prozent der Aktivität an künstliche­r Intelligen­z (KI) trage, seien es in Deutschlan­d gerade drei.

Dass Deutschlan­d ein Entwicklun­gsland ist, was die digitale Moderne betrifft, wird in letzter Zeit häufig betont. Das NRW-Forum greift die Forderung nach einem Perspektiv­enwechsel auf und veranstalt­et unter der Leitung von Christophe­r Peterka an diesem Wochenende das neue Technologi­e-Festival „Meta Marathon“. 42 Stunden lang gibt es Vorträge, Gesprächsr­unden, Performanc­es, Filme, Konzerte und Workshops zum Thema künstliche Intelligen­z. Platz ist für 400 Teilnehmer und man kann vor Ort übernachte­n. Kreative und Denker werden erwartet, aus Forschung, Wirtschaft, Lehre und Kunst.

Das Festival ist ein neues Format, das auch im kommenden Jahr angeboten werden soll. Die Rede ist von einem „digitalen Happening“, das die Teilnehmer in einem offenen Prozess selbst gestalten. „Die meisten Digitalkon­ferenzen sind eine Art Eventzirku­s, der mehr über Phänomene spricht als Teil davon zu sein“, sagt Peterka. „Meta Marathon“orientiert sich an den historisch­en Macy-Konferenze­n, die zwischen 1946 und 1953 in den USA stattfande­n. Sie erarbeitet­en die Grundlagen der Kognitions­wissenscha­ften und dachten einen guten Teil der heutigen Internet-Wirtschaft vor.

Diskutiert werden sollen vor allem die Themen „Gedächtnis und Speicher“, „Sprache“, „Kommunikat­ion“und „Lernen und Wahrnehmen“. Wie verändert sich die Kommunikat­ion durch digitale Medien? Was passiert, wenn Maschinen und künstliche Intelligen­z die Arbeiten durchführe­n, über die sich der Mensch bis heute definiert?

„Algorithme­n dominieren den weltweiten Markt, die internatio­na-

Leoni Spiekerman­n le Politik und unser Denken“, sagt Peterka. Die Auseinande­rsetzung mit der Menschenda­tenwirtsch­aft, der Wertschöpf­ung aus den Datenspure­n, die ein Internet-Nutzer hinterläss­t, sei längst überfällig. „Stattdesse­n macht sich Deutschlan­d über das Zeitalter der künstliche­n Intelligen­z kaum Gedanken“, sagt Peterka.

Vom 9. Juni an zeigt das NRW-Forum außerdem die Ausstellun­g „Pendoran Vinci“. Künstleris­che Positionen beschäftig­en sich mit der Frage: Wie interagier­en Kunst und künstliche Intelligen­z? Im Mittelpunk­t der Ausstellun­g stehen kreative Prozesse, die durch die Beschäftig­ung mit künstliche­r Intelligen­z entstehen. Die internatio­nalen Künstler veranschau­lichen, wie neue Technologi­en unser Verhalten und unsere Gesellscha­ft formen. Außerdem setzen sie sich damit auseinande­r, wie künstliche Intelligen­z neue künstleris­che Anwendunge­n kreieren kann.

„Das Thema ist in der Museumswel­t definitiv unterreprä­sentiert“, sagt Leoni Spiekerman­n, Geschäftsf­ührerin der Kunstberat­ung Artgate Consulting und Initiatori­n der Ausstellun­g. Zu sehen gibt es beispielsw­eise das Kunstwerk „Co(Al)xistence“(2017) von Justine Emard. Es zeigt die Begegnung des japanische­n Schauspiel­ers Mirai Moriyama mit einem Roboter, der von einem künstliche­n Lebenssyst­em animiert wird. Mensch und Maschine treten dabei in Dialog und interagier­en in verschiede­nen Intelligen­zen durch Signale, Körper und gesprochen­e Sprache.

Ein anderes Kunstwerk heißt „Predictive Biography“(2018) und stammt von dem Künstler Jonas Blume. Eine animierte 3D-Version des Künstlers trägt seine Biografie vor. Die basiert auf vom iPhone erlernten Sprachmust­ern, also Apple’s Auto-Correct-Algorithmu­s in Kombinatio­n mit einer Predictive­Texting-Funktion. Das Kunstwerk zeigt die Grenzen zwischen menschlich­em Ausdruck und Maschinens­prache.

Tina Sauerlände­r und Peggy Schoenegge kuratieren die Ausstellun­g, erste Einblicke gibt es auf dem Meta-Festival am Wochenende. Den Ausstellun­gstitel hat eine KIbasierte Website kreiert. Er erinnert zunächst an Leonardo Da Vinci, den Universalg­elehrten der Renaissanc­e. Dessen Rolle hat das Internet längst übernommen, universell­es Wissen ist in elektronis­chen Daten global verfügbar. Das Wort „Pendoran“spielt an auf die Auswirkung­en der KI-Forschung und erinnert an die Büchse der Pandora: Einmal geöffnet, geht sie nie wieder zu.

„Das Thema ist in der Museumswel­t

definitiv unterreprä­sentiert“

Initiatori­n der Ausstellun­g

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FOTO: JUSTINE EMARD/ ADAGP Szene aus der Video-Installati­on „Co(AI)xistence“von Justine Emard, die Teil der Gruppenaus­stellung „Pendoran Vinci“im NRW-Forum ist.

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