Rheinische Post Mettmann

Die Bahnstraße ist besser als ihr Ruf

- VON CORDULA HUPFER

Es ist nicht die Königsalle­e und auch nicht der Neumarkt – aber warum auch? Es gibt in Alt-Erkraths Mitte fast alles für den täglichen Bedarf und auch noch ein bisschen was fürs Auge. Ein Rundgang.

ERKRATH Wenn man die Bahnstraße nur aus den Ausschüsse­n kennt, die im Rathaus mit eben dieser Adresse tagen, hat man eigentlich gar keine Lust mehr hinzugehen. Leerstände, Gezerre um Poller hoch oder runter, niedrige Aufenthalt­squalität, ausbleiben­de Kundschaft, davon ist immer wieder mal die Rede. Schauen wir mal, was die Vielgescho­ltene zu bieten hat.

Praktisch für jene, die am Rathaus starten, ist das benachbart­e Geldinstit­ut, bei dem man Bares für den Bummel zapfen kann. Wird man das los? Auf jeden Fall, wenn man Schreibwar­en, Kosmetik und Parfüm, Zeitungen oder Tabak, Obst, Backwerk, etwas vom Optiker, Uhrmacher, Goldschmie­d, aus dem Telefonlad­en oder aus dem bunten Klimperkra­mgeschäft braucht, einen Führersche­in machen, Wäsche reinigen oder auf die Schnelle Passfotos machen lassen will, Nageldekor­ation, Wimpernbeh­andlung oder Massage nötig hat oder eine Reise plant.

In einer kleinen Passage gibt es auch ein Sanitätsha­us, in dem ein sehr junger Mann bedient, einen Schuster, ein einladend dekorierte­s Fotostudio, ein Geschäft mit Pralinen und – immer ein Zeichen der Hochkultur – losem Tee. Alle Achtung, Bahnstraße! Auch die Präsenz eines Reformhaus­es gefällt. Schade nur, dass ein Buchladen fehlt.

Platz wäre ja da in einem der Leerstände, die sich allerdings in Grenzen halten. Da hat man in anderen Städten schon deutlich traurigere Hier-waren-einmal-Läden-Zeilen gesehen. Zum Ausgleich geben sich ein paar Händler viel Mühe mit der Schaufenst­er-Dekoration. Etwa das Wollgeschä­ft in Höhe der Öffnung der Straße zum Bavierplat­z (mit großem Einkaufsce­nter). Dort bleibt auch stehen, wer schon seit Jahren keine Nadeln mehr im Garn gehabt hat, und die anderen sowieso, wie der danebenlie­gende Handarbeit­sraum bezeugt.

Gleiches gilt für den bestens sortierten Stoff- und Knopf- und Kurzwarenl­aden, vor dessen Auslagen man wünscht, mit der Nähmaschin­e zuhause deutlich mehr als immer nur Vorhanglän­gen variieren zu können. Anstiftung zu kreativer Betätigung, da haben die Schaufenst­erdekorate­ure ganze Arbeit geleistet.

Hübsch anzuschaue­n sind auch die Fenster eines Modegeschä­fts, das nach einem Meeresbewo­hner benannt ist. Weil es sich, wie auf der Türe zu lesen ist, um „exklusive Mode“handelt, sind natürlich auch die Preise etwas höher. Dafür gibt es dort aber auch Kleidung aus vom Aussterben bedrohten, schönen Materialie­n wie beispielsw­eise Leinen, und nicht immer nur Polyester. Günstiger einkleiden kann man sich in einem großen Modehaus, das die gängigen Marken unter seinem Dach vereint. Die Auswahl ist groß, es fehlen nur ein bisschen die kleineren Größen, die entweder schon vergriffen oder einfach nicht so gefragt sind. Zum Schuheinka­uf muss, wer eine größere Auswahl braucht, woanders hinfahren.

Bleiben kann noch, wer sich gerade eine der existenzie­llsten Fragen stellt: Was gibt es zu essen? Mindestens zwei Eiscafés, ein Bäcker mit Kaffeeauss­chank, ein Inder, ein Grieche, ein Italiener, ein Dönerund ein Burger-Laden beantworte­n diese Frage je nach Geschmack. Draußen sitzen ist hier und da möglich, ein paar Bänke mehr als Einladung zum Verweilen könnte die Straße aber durchaus vertragen. Wer Lebensmitt­el braucht, muss in den Supermarkt ins Baviercent­er, darüber hinaus gibt es an der Bahnstraße außer Obst und Gemüse nichts. Ein Metzger fehlt, aber die gibt es ja sowieso kaum noch. Und das ganze Bio-Segment liegt brach, mal abgesehen von dem, was Wochenmark­t und Supermarkt in dieser Hinsicht zu bieten haben.

Bevor man am Ende der Straße ein paar Blumen kauft, gibt es architekto­nisch noch Einiges zu bewundern, etwa die klassizist­ische Kirche oder das gegenüber gelegene alte Gemeindeam­t in Backsteing­otik mit umwerfend schönen alten Bäumen davor (und einer Bürgerbus-Haltestell­e). Schön auch, dass die Alten (im Haus Bavier) mittendrin leben. Und im Postshop kann man auch noch etwas loswerden.

Also: Eine Prachtmeil­e ist sie nicht, die Bahnstraße – aber auch nicht das genaue Gegenteil.

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Die Einkaufsst­raße hat auch architekto­nisch Sehenswert­es zu bieten, etwa die im klassizist­ischen Stil erbaute evangelisc­he Pfarrkirch­e, links im Bild.

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