Rheinische Post Mettmann

Verein kümmert sich um Tiere in Not

- VON SABINE MAGUIRE

Eine Wildgansfa­milie aus Mettmann wird von aufmerksam­en Nachbarn gerettet – nun werden die Vögel von Experten aufgepäppe­lt.

KREIS METTMANN/HATTINGEN Es geht schon gleich los mit dem wilden Geschnatte­r. Die einen bestehen mit lautem Geschrei auf den gehörigen Abstand. Die anderen, gerade mitten in der Entwöhnung von der Handaufzuc­ht, hätten gerne etwas mehr Komfort. Und mittendrin: Die acht gefiederte­n Glückspilz­e, die vor ein paar Wochen unverletzt aus dem Nest in St. Lambertus über das Kirchendac­h auf den Marktplatz gerutscht waren.

Nachdem einige der Nilgans-Küken danach auch noch in einen Gulli gefallen waren, herrschte rings um St. Lambertus für Stunden der Ausnahmezu­stand. Zu früher Morgenstun­de vom lauten Rufen der Elternvöge­l aufgeschre­ckt, waren Nachbarn schnell zu Hilfe geeilt. Mit der Spitzhacke wurde der Gullidecke­l angehoben – und kurz darauf war die Familie wieder vereint. Die Jungvögel in der Transportk­iste, die Eltern immer in der Nähe.

Als die Familienzu­sammenführ­ung trotz ausdauernd­er Versuche misslang, brachte Reinhard Vohwinkel die Gänseküken in die „Paasmühle“nach Hattingen. Der Vogelexper­te aus Tönisheide wird immer dann gerufen, wenn Wasservöge­l in Not sind. Oft sind es auch verletzte Greifvögel, die seiner Obhut überlassen werden. So wie die Uhudame aus dem „Bochumer Bruch“in Wülfrath, die nach einer Flügelverl­etzung in die „Paasmühle“gebracht wurde. Dort bekommt sie einen geschützte­n Raum und genug Zeit, um den Flügel unter Aufsicht eines Tierarztes heilen zu lassen. „In einer Woche soll sie ausgewilde­rt werden“, kündigt Reinhard Vohwinkel an. Beinahe in Sichtweite der Nachtkönig­in: Die acht mittlerwei­le halbstarke­n Nilgänse, die munter im Gehege herumturne­n und vor allem eines tun: Im Gras herumschnä­beln und sich die Halme schmecken lassen. Ganz nach dem Motto: Nach dem Fressen ist vor dem Fressen. Dass es nach dem Rutsch vom Kirchendac­h ins Gänseleben hätte schwierig werden können, ahnen die Gefiederte­n nicht. „Ohne Wasser und Grünfläche­n hätten sie nicht überleben können“, weiß Reinhard Vohwinkel. Hätte man sie vielleicht auch unter Beobachtun­g einfach laufenlass­en können in der Hoffnung, dass die Gänsefamil­ie den Weg zum Goldberger Teich findet? Der Vogelexper­te hält das für keine gute Idee: „Da hätte schon bald der nächste Absturz in den Gulli gedroht. Oder irgendwo wäre ein Hund gekommen und sie wären in Panik geraten.“Ein Lob also an die aufmerksam­en Nachbarn: Sie haben alles richtig gemacht. Weiter ging es nach der Gänserettu­ng übrigens unter der Wärmelampe. Beinahe zwei Wochen gab es dort die nötige Nestwärme. „Oft kommen sie zwar gefüttert, aber nicht gewärmt bei uns an. Die haben dann leider kaum noch Überlebens­chancen“, klärt Reinhard Vohwinkel darüber auf, was man bei Jungvögeln unbedingt beachten sollte.

Für die Nilgans-Küken wird sich nun jedenfalls bald schon die Voliere öffnen. In ein paar Wochen sind sie alt genug, um sich in die Luft zu erheben. Dann sieht man sie wegfliegen und das ist der Moment, den sie in der „Paasmühle“ganz besonders lieben. Sie sollen unabhängig bleiben, die Kurzzeitgä­ste. Die Auffangsta­tion soll Schutz für die Zeit geben, die Verletzung­en brauchen, um heilen zu können. Blieben die Vögel in freier Wildbahn sich selbst überlassen, würde das den sicheren Tod bedeuten. Ihre Hilflosigk­eit auszunutze­n und sie handzahm zu machen, das will niemand in der „Paasmühle“.

Thorsten Kestner, der die Auffangsta­tion vor mehr als 30 Jahren ins Leben gerufen hat, kennt viele Geschichte­n, die man eigentlich gar nicht hören möchte. Von Eulen auf dem Dachboden, die nach der Harry-Potter-Lektüre angeschaff­t wurden. Oder von solchen, die nur bei laufendem Fernseher gefressen haben, weil sie es aus dem heimischen Wohnzimmer so gewohnt waren. Kestner ist ein stiller Typ, der nicht viel Aufhebens um sein Tun macht. Dass er keinen Urlaub macht, weil er sein Domizil nicht sich selbst überlassen kann: Das sagt er nur, wenn man ihn danach fragt. Dass so manch ein gefiederte­r Gast sich im Winter daran erinnert, wo es Futter gibt, gehört zu den netten Anekdoten der „Paasmühle“. Dass viele der Gefiederte­n regelmäßig dorthin flüchten, wenn ringsum mal wieder aus Jagdgewehr­en geschossen wird, ist wohl eher ein trauriges Kapitel. „Am liebsten sehen wir sie von hinten“, sagt Thorsten Kester. Und meistens gelingt das auch.

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RP-FOTOS: SCHÜMMELFE­LDER Reinhard Vohwinkel mit einem Uhu.

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