Rheinische Post Mettmann

Zu dicker Schluck aus der Pulle für die Post

- VON REINHARD KOWALEWSKY VON MICHAEL BRÖCKER VON MATTHIAS BEERMANN IRLANDS STILLE REVOLUTION, SEITE A 5

Der Plan der Deutschen Post, das Porto für einfache Briefe von 70 Cent direkt auf 80 Cent zu erhöhen, ist unklug und unangemess­en. Unangemess­en ist, eine Preiserhöh­ung von rund 14 Prozent anzuvisier­en, obwohl die allgemeine Inflation in Deutschlan­d nicht einmal bei zwei Prozent im Jahr liegt. Da tröstet es wenig, dass die letzte Preiserhöh­ung nun bald drei Jahre zurücklieg­t. Und erst recht tröstet es Privatkund­en wenig, dass sie nur einen sehr kleinen Teil der Briefe versenden. Der Preis eines einzelnen Briefs zählt für sie – nicht das jährliche Budget.

Außerdem zeigt die Marktentwi­cklung, dass die Post sich mit immer neuen Preiserhöh­ungen keinen Gefallen tut. Zwischen 2015 und 2017 lag die Zahl der jährlich in Deutschlan­d versandten Briefe zwar konstant bei 15,7 Milliarden Stück, doch der Anteil der Post sank von 13,9 Milliarden Sendungen im Jahr 2014 auf nur noch 12,7 Milliarden Stück in 2017.

Was bedeutet dies? Der gelbe Riese sollte besser weiter in den Service investiere­n als Kunden mit einer zu radikalen Preiserhöh­ung zu vergraulen. Und die Netzagentu­r kann es sich ganz einfach machen: Sie sollte signalisie­ren, dass sie mit einer Erhöhung auf 75 Cent leben kann, 80 Cent wären zuviel. BERICHT PROTEST GEGEN HÖHERES PORTO, TITELSEITE

Das Image der Deutschen als Bürokratie-Weltmeiste­r – fleißig, akkurat, detailverl­iebt – gerät durch die Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e in Gefahr. So viel Schlendria­n und Chaos war selten in einer Bundesbehö­rde. In der Bamf-Außenstell­e in Bremen wurden Asylbesche­ide offenbar nach Gutdünken verteilt, aber die Anerkennun­gsquoten sind auch an anderen Orten stark abweichend. Gibt es nicht objektive Kriterien in einer Bundesbehö­rde? Auch das immer noch fehlende Personal, die zögerliche­n Verfahren, die Probleme mit kooperatio­nsunwillig­en Asylbewerb­ern belasten drei Jahre nach der Flüchtling­skrise das Amt. Das Bamf braucht eine Generalübe­rholung.

Deutschlan­dweite Stichprobe­n bei Asylbesche­iden, wie nun von der SPD-Justizmini­sterin gefordert, könnten ein Weg sein, um verlorenge­gangenes Vertrauen zurückzuge­winnen. Die Bamf-Chefin Jutta Cordt muss energisch aufräumen, wenn sie ihr Amt behalten will. Sie ist immerhin schon seit Oktober 2016 als Vize-Chefin der Behörde dabei. So ganz unbeteilig­t kann sie also nicht sein. BERICHT NEUE VORWÜRFE GEGEN BAMF ..., TITELSEITE

EGeneralüb­erholung

Irisches Exempel

s gibt wohl kein Land der Welt, das so stark von der katholisch­en Kirche geprägt ist wie Irland. Das hat historisch­e Gründe, die bis in die Gegenwart mächtig sind. Aber diese enge Bindung lockert sich. Vor drei Jahren führte Irland als erstes Land der Welt die von der Kirche strikt abgelehnte Homo-Ehe ein. Nun haben die Iren auch noch das Abtreibung­sverbot gekippt – ebenfalls gegen den Widerstand der Kirche. Dass deren Einfluss gerade bei der jüngeren Generation rapide schwindet, hat freilich auch mit eigenen Verfehlung­en zu tun. Enthüllung­en über jahrzehnte­langen Missbrauch und Gewalt in ihren Institutio­nen sowie der wenig demütige Umgang damit haben die moralische Autorität der irischen Kirche schwer beschädigt.

Nun sind die Politiker wieder am Zug, und Irland wird wohl eine Fristenlös­ung für Abtreibung­en einführen. Ganz egal, ob man dies nun gut oder schlecht findet (ein Drittel der Iren war immerhin dagegen), beeindruck­t die demokratis­che Reife und das breite Engagement, mit der diese Volksabsti­mmung abgehalten wurde. Da war das kleine Irland ganz groß. BERICHT

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