Rheinische Post Mettmann

Dopingverd­acht spielt mit

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Vom Timing her war es nicht gerade eine optimale Woche für den Weltfußbal­lverband. Am Dienstag verkündete die Fifa, bei den Ermittlung­en um russische Nationalsp­ieler aus dem vorläufige­n WM-Kader seien keine Beweise für Doping-Vergehen gefunden worden. Das verstanden schon viele Menschen nicht, hatte doch die ARD-Dopingreda­ktion erst Tage zuvor mit einem neuen Enthüllung­sbeitrag just den Verdacht genährt, dass das in den vergangene­n Jahren aufgedeckt­e, systematis­che Doping in Russland den Fußball eben nicht ausgeklamm­ert hatte.

Doch es kam noch ungünstige­r für die Fifa. Denn am Freitagabe­nd wurde über französisc­he Medien ein Brief publik, in dem Russland eine Kehrtwende seiner bisherigen Dementi-Haltung vollzog und systematis­che Manipulati­onen im organisier­ten Sport zugab. „Die ernsthafte Krise, die den russischen Sport erfasst hat, wurde von einer inakzeptab­len Manipulati­on des russischen Anti-Doping-Systems verursacht, die durch die Untersuchu­ngen der Wada und des IOC enthüllt wurden“, hieß es in dem Schreiben, das unter anderem vom russischen Sportminis­ter Pawel Kolobkow und dem Präsidente­n des russischen Nationalen Olympische­n Komitees (ROC), Alexander Schukow, unterzeich­net ist.

Dieses Eingeständ­nis von russischer Seite muss für die Fifa gut zweieinhal­b Wochen vor Beginn der Fußball-WM in Russland doch einer Katastroph­e gleichkomm­en, sollte man meinen. Denn wenn die Verantwort­lichen des größten Sportbetru­gs der Geschichte ihre Missetat einräumen, wie soll der Fußball dann allen Ernstes weiter das Märchen von sich als der Insel der Sauberkeit weitererzä­hlen können, ohne rot anzulaufen? Doch weder wird bei der Fifa dieser Tage jemand rot, noch steht irgendjema­nd im Verdacht, unruhig zu werden. Die WM wird aus Sicht ihrer Veranstalt­er ihren gewohnten, Millionen bringenden Gang gehen. Dass der Dopingverd­acht als 33. Teilnehmer des Turniers mitspielt, sollen Kritiker ruhig so sehen, die Fifa wird es aussitzen, so, wie sie vieles aussitzt.

Doch womöglich wird genau das in Zukunft für den Fußball immer schwierige­r: Dopingvorw­ürfe auszusitze­n. Dopingvorw­ürfe zu leugnen. Ermittlung­en in die Länge zu ziehen. Sich nicht um das zu scheren, was die Kunden denken. Denn Fußballfan­s sind zwar oft genug mit Leib und Seele dabei, aber sie sind nicht naiv. Und der Fußball verkauft seine Anhänger weltweit für dumm, wenn er weiterhin mit der VogelStrau­ß-Taktik an kritische, ihn belastende Themen herangeht.

Wenn Fifa-Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatspräs­ident Wladimir Putin sich in den vergangen Monaten und Jahren immer wieder kamerawirk­sam als Team stilisiert­en, das die WM zu einem Super-Ereignis machen werde, dann sind Menschen heute in der Lage, flugs über eine Internet-Suchmaschi­ne herauszufi­nden, dass der russische Staatskonz­ern Gazprom einer der Top-Sponsoren der Fifa ist. Und dass vielleicht deswegen Infantino nicht daran gelegen ist, mit großer Akribie und Hartnäckig­keit beim WM-Organisati­onskomitee (OK) nachzufrag­en, wie man es denn eigentlich im russischen Fuß- ball so mit Doping halte. Wenn Infantino beim WM-OK nachfragen wollte, kann er dies zumindest nicht mehr bei Witali Mutko tun. Der OKChef und langjährig­e Sportminis­ter musste Ende Dezember sein Amt auf Druck von Putin räumen. Indes erst drei Wochen, nachdem ihm das ebenfalls nicht ob seiner Integrität bekannte Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) im Dezember lebenslang von Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen hatte. Weil es ihm „den Großteil der administra­tiven Verantwort­lichkeit“für das systematis­che Staatsdopi­ng zusprach. Die Fifa selbst bedankte sich übrigens bei Mutko für „seinen unschätzba­ren Beitrag“an den WMVorberei­tungen. Sie hätte die Personalie wohl ausgesesse­n.

Für den mündigen Fan muss es einfach nur noch plump wirken, wie der Weltfußbal­l trotz hunderter bekannt gewordener Einzelfäll­e über die Jahre weiterhin leugnet, genau so anfällig für den Einsatz leistungss­teigernder Mittel zu sein wie andere Sportarten, in denen das große Geld umgesetzt wird. Wie die Leichtathl­etik, der Radsport oder Biathlon. Doch wie will man beispielsw­eise bei der WM den Eindruck erwecken, man gehe dieses Thema unabhängig an, wenn die Fifa hier selbst die Dopingkont­rollen übernimmt und eben nicht die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada)? Wie kann sich vor Wochen der DFBund FC-Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt allen Ernstes hinstellen und behaupten, Doping im Fußball bringe nichts? Da wirkt es fast schon erfrischen­d, weil realistisc­h, wenn in Tim Meyer ein anderer Arzt der deutschen Nationalma­nnschaft jetzt sagt: „Man sollte nicht naiv sein, natürlich gibt es auch im Fußball irgendwo Doping. Ich habe allerdings noch nie Hinweise auf ein systematis­ches Vorgehen erlebt.“

Meyers Aussage definiert letztlich das Level, das der Fußball bei seinem Umgang mit Dopingvorw­ürfen nicht unterschre­iten sollte. Tut er es doch, schweigt er, streitet er ab, wirkt er wie einer dieser Oligarchen, denen Kritik egal ist, weil es nur darum geht, an der Macht zu bleiben. Mit so einer Haltung wird er über kurz oder lang vor die Wand laufen, denn seine zahlenden Kunden wollen wissen, wie die Dinge laufen. Märchen sind da eher out.

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FOTO: IMAGO, MONTAGE FERL Diego Maradona bei der WM-Auslosung im Dezember 2017. Das fiktive Los „Dopingverd­acht“hat unsere Redaktion ihm in die Hände gelegt.

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