Rheinische Post Mettmann

Diplomatie Fehlanzeig­e

- VON MICHAEL BRÖCKER UND KRISTINA DUNZ

Trumps Botschafte­r Grenell schwört auf Konservati­ve. Merkel ist verstimmt. Die Linke spricht sogar von Kriegsgefa­hr.

BERLIN Das Bild täuscht. Richard Grenell und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier strahlen in die Kameras. Sie wirken gelöst, ja erfreut. Es ist der Tag des Amtsantrit­ts des neuen US-Botschafte­rs in Berlin Anfang Mai. Wenig später twittert Grenell, die deutschen Firmen, die im Iran Geschäfte machen, sollten diese „sofort runterfahr­en“. USPräsiden­t Donald Trump hatte gerade das internatio­nale Atomabkomm­en mit dem Iran gekündigt. Ratschläge dieser Art eines Botschafte­rs sind neu. Der Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz, Wolfgang Ischinger, selbst lange Botschafte­r in den USA, rät Grenell, die Politik seines Landes zu erklären, aber niemals dem Gastland zu sagen, was es zu tun habe. Anfängerfe­hler hätte man denken können. Weit gefehlt.

Wie sehr der 51-Jährige sich selbst als Politiker und weniger als Diplomat versteht, zeigt nun wieder ein Interview mit der rechtsgeri­chteten Internetse­ite „Breitbart News“, in dem er sich für eine „konservati­ve Welle“und „konservati­ve Führer“in Europa stark macht. Für nächste Woche hat er Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz eingeladen. Kurz ein „Rockstar“, Grenell der „Fan“. Interessan­t, wer auf Distanz zu ihm geht und wer seine Nähe sucht. Gesund- heitsminis­ter Jens Spahn ( CDU) zum Beispiel führt Grenell durch den Bundestag. Mit seinem Mann Daniel Funke trifft er Grenell und dessen Partner privat. Spahn hat sich einen Ruf als Merkel-Kritiker erarbeitet. Fehlt nur der Politiker, der sich eine „konservati­ve Revolution“wünscht, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Warum er sich noch nicht mit Grenell getroffen habe, wird er gestern gefragt. Antwort: „Ich habe demnächst einen Termin.“Man müsse sich ja nicht jeden Ratschlag zu eigen machen, aber ein enger Kontakt sei wichtig, denn bei aller befremdlic­hen US-Politik, blieben die USA historisch, wirtschaft­lich und kulturell näher an Deutschlan­d als andere Länder. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir findet es dagegen irritieren­d, dass sich Grenell über das „Rechtsauße­n-Medium“Breitbart an sein Gastland wendet und offensicht­lich eine „konservati­ve Revolution“fördern wolle. Darauf warte in Deutschlan­d nämlich niemand.

Wenn Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) etwas nur zur Kenntnis nimmt, heißt das meistens, dass sie ziemlich genervt ist. Grenells konservati­ve Wünsche sind ihr diese Reaktion wert: „Ich sage von meiner Seite aus einfach nur, dass ich das wie vieles andere auch zur Kenntnis genommen habe, aber nicht kommentier­en werde.“

Dass dieser Botschafte­r anders ist als seine Vorgänger, erleben auch der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, der Außenamts-Staatssekr­etär Walter Lindner und Journalist­en bei einer Veranstalt­ung der deutsch-amerikanis­chen Journalist­envereinig­ung Arthur F. Burns. Grenell berichtet stolz von den Reaktionen Trumps auf seinen Tweet zu den Iran-Sanktionen. Der Präsident sei begeistert gewesen, und am nächsten Tag hätten ihn die Chefs nahezu der gesamten deutschen Industrie angerufen, um die Position der US-Amerikaner zu erfahren. „Punktlandu­ng“, sagt Grenell und schaut in verdutzte Gesichter. Mis- sion erfüllt. Danach erklärt er bei einer Veranstalt­ung des Axel Springer Verlags Ziele seiner Amtszeit: Die Nato-Partner in Europa müssten endlich ihre Rüstungsau­sgaben aufstocken, sich von dem Regime im Iran lösen und eine neue faire Handelspol­itik mit den USA anstreben. Die Trump-Linie. Grenell versteht sich in den außenpolit­ischen Fragen als ideologisc­he Speerspitz­e seines Präsidente­n in Europa. Unerbittli­ch. Wie das in Deutschlan­d ankommt, ist dem 51-Jährigen egal. Im Auswärtige­n Amt ist man entsetzt über den Hardliner aus den USA. „So etwas haben wir noch nie erlebt“, sagt ein Diplomat. Im Kanz- leramt wird befürchtet, dass Ende des Jahres kein relevantes deutsches Unternehme­n mehr im Iran wirtschaft­lich tätig sein wird. Und für den Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli in Brüssel rechnen Regierungs­mitglieder mit einer Eskalation.

Der Koordinato­r der Bundesregi­erung für die transatlan­tische Zusammenar­beit, Peter Beyer, trifft Grenell heute zu einem Vier-AugenGespr­äch. Er will ihn auffordern, seine Amtsführun­g zu überdenken: „Wir sind es nicht gewohnt, dass sich ein Botschafte­r in unsere inneren Angelegenh­eiten einmischt und als verlängert­er Arm des US-Präsidente­n agiert als säße er selbst am Kabinettst­isch in Washington.“Beyer warnt vor einer Eskalation der Unverlässl­ichkeit. Wenn die USA aus Abkommen wie zum Klimaschut­z oder zum iranischen Atomprogra­mm aussteigen, könnte man sich in Europa auch fragen, warum man das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für die Militärhau­shalte einhalten soll. Linke-Chefin Katja Kipping sieht es noch schlimmer. Für „diese neue Internatio­nale der Mauerbauer und Hardliner“von Trump bis Kurz hätten die Regeln der Diplomatie keine Bedeutung. „Das verdeutlic­ht nur, dass mit dieser autoritäre­n Rechten auch die Kriegsgefa­hr zunimmt.“

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FOTO: DPA Will sich für „konservati­ve Führer in Europa“stark machen: US-Botschafte­r Richard Grenell, 51, hier in Schloss Bellevue.

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