Rheinische Post Mettmann

INTERVIEW CHRISTIAN BERNZEN Wie eine private Initiative katholisch­e Schulen rettet

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In Hamburg wollte das Bistum wegen der schlechten Finanzlage Schulen schließen. Eine Genossensc­haft hilft nun, sie zu erhalten.

HAMBURG Ende Januar hat der neue Hamburger Erzbischof Stefan Heße entschiede­n, aufgrund der Finanzlage bis zu acht der 21 katholisch­en Schulen in der Hansestadt zu schließen. Betroffen wären 3000 Schülerinn­en und Schüler. Nach massiven Protesten formierte sich eine private Initiative zur Gründung einer Genossensc­haft. Ziel: die 18 Grundund Stadtteils­chulen sowie die drei Gymnasien mit etwa 9000 Schülern zu übernehmen. Jetzt haben sich beide Seiten verständig­t, gemeinsam für Erhalt und Ausbau der Schulen zu sorgen und ein Finanzieru­ngskonzept zu erarbeiten. Das Erzbistum hat knapp 80 Millionen Euro Schulden, die sich nach Erhebungen einer Unternehme­nsberatung bis 2021 auf 350 Millionen erhöhen könnten. Der Rechtsanwa­lt Christian Bernzen, einer der Gründer der Initiative, nimmt Stellung zur Einigung. Erzbischof Heße hat gesagt: „Was wir jetzt planen, muss im Ergebnis so gut sein, dass andere sagen: Das wollen wir auch.“Ihre Meinung dazu? BERNZEN Das finde ich ziemlich ambitionie­rt. So schaue ich nicht auf uns. Wir stellen eine Kooperatio­n her, einen strategisc­h inhaltlich­en Bereich zwischen dem Erzbistum und einer säkularen Struktur, nämlich unserer Genossensc­haft. Das ist in der Tat etwas ganz Neues. Was bedeutet das Pilotproje­kt? BERNZEN Knapp gesagt: Wir werden in mehreren noch auszuwähle­nden Schulen für drei oder vier Jahre erproben, wie wir bei Finanzen und anderen schulische­n Gebieten zu- sammenarbe­iten können. Wir planen und beschließe­n alles gemeinsam. Sind damit die angekündig­ten Schulschli­eßungen vom Tisch? BERNZEN Zu diesem Zeitpunkt wird es keinen Schließung­sbeschluss geben. Wie es mit den fünf Schulen weitergeht, die für das Schuljahr 2018/19 keine Schüler aufnehmen durften, muss sich zeigen. Sie wollen 10.000 Genossensc­haftsmitgl­ieder gewinnen, die Anteile von je 1000 Euro erwerben, also zehn Millionen. In Hamburg gibt es 185.000 Katholiken aus etwa 160 Ländern. Gelingt das? BERNZEN Wir haben bislang Zusagen aus allen Teilen der Bevölkerun­g über ein knappes Drittel. Aber die Genossensc­haft wird jetzt erst gegründet. Was macht katholisch­e Schulen denn so wichtig, dass tatsächlic­h so viele Menschen gegen die Pläne des Erzbistums sogar auf die Straße gegangen sind? BERNZEN Katholisch­e Schulen sind immer ein Motor für Integratio­n. Und wir können hier Integratio­n. Das gilt auch im Umgang mit Angehörige­n anderer Konfession­en, die ja ebenso an unseren Schulen willkommen sind. Wir haben ein Gefühl dafür, dass Menschen verschiede­n sind und trotzdem zusammenha­lten. Das betrifft hier erst recht katholisch­e Zuwanderer aus dem Inund Ausland. Ich zähle auch dazu. Meine Mutter stammt aus Neuss.

WOLF RÖMER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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