Rheinische Post Mettmann

90 Minuten Paartherap­ie in Echtzeit

- VON ALEXANDRA STAHL

Amüsant: „Die Wunderübun­g“zeigt ein Ehepaar bei der Beziehungs­arbeit.

(dpa) Er nimmt den Fahrstuhl, sie die Treppe: Wenn ein Ehepaar nicht mal mehr den Weg zum Paartherap­euten gemeinsam gehen will, ist es dort vermutlich genau richtig. „Die Wunderübun­g“heißt die schräge Paar-Komödie von Regisseur Michael Kreihsl. Devid Striesow und Aglaia Szyszkowit­z sitzen darin mit ihrer zerrüttete­n Ehe 90 Minuten lang in der Praxis eines Wiener Paartherap­euten, der den beiden mit ungewöhnli­chen Methoden wieder zum Liebesglüc­k verhelfen will. Die auf einem Theaterstü­ck des österreich­ischen Schriftste­llers Daniel Glattauer basierende Geschichte lebt von ihren Dialogen, die manchmal so anstrengen­d sind wie es vermutlich nur eine 17 Jahre lange Beziehung sein kann.

Mehr als fünf Minuten dauert es, bis das erste Wort gesprochen wird, und damit ist ein wichtiger Punkt schon mal abgehakt: das ewige Schweigen in Langzeitbe­ziehungen. Joana (Szyszkowit­z) und Valentin (Striesow) bezeichnen selbst ihre gemeinsame Anfahrt zum Therapeute­n als Fehler: „Normalerwe­ise gehen wir getrennte Wege!“

Den Paartherap­euten (Erwin Steinhauer) überrascht freilich nichts davon, er schaut seine Klienten mit stoischer Gelassenhe­it an und versichert ihnen lächelnd im schönsten Wiener Singsang: „Kein Paar, das hierher kommt, hat seine beste Phase.“Dass sie von ihm nicht allzu viel erwarten dürften, will er aber auch gleich gesagt haben: „Wenn Sie etwas retten, bewahren oder festigen wollen, liegt das ganz allein an Ihnen beiden.“

Folgericht­ig lässt er nun vor allem die beiden reden, was in ihrem Fall vor allem streiten bedeutet. Und das klingt, wie es vermutlich überall klingt, wo man schon zu lange Tisch und Bett teilt und zwei Kinder hat, die nicht pflegeleic­ht waren. Sie hält ihm Desinteres­se vor, er findet, sie beschuldig­e ihn permanent. Sie nennt ihn egoistisch, er findet sie empfindlic­h. Es dauert dann auch nicht lange, bis sie sich gegenseiti­g ihre alten Affären um die Ohren hauen: Er mit Brigitte aus dem SexShop (Brigitte französisc­h ausgesproc­hen, obwohl auch sie Österreich­erin ist), sie mit Guido, der konnte wenigstens zuhören – findet sie.

Dass irgendwo noch Licht in diesem Beziehungs­dunkel herrscht, deutet sich immer an, wenn es um die Vergangenh­eit geht – als das Paar sich vor beinahe zwei Jahrzehnte­n beim Tauchurlau­b kennenlern­te, war alles besser: „Er war der erste und einzige Mann, der im Neoprenanz­ug sexy aussah“, erinnert sie sich, und er schaut sanft.

Bei den skurrilen Übungen, die der Therapeut dem Paar auferlegt, scheitert es allerdings gleich wieder – hier halten Valentin und Joana es jedenfalls nicht aus zu schweigen, beschimpfe­n sich lieber um die Wette. Der Zuschauer sieht bald so wenig Hoffnung für das Paar wie der Therapeut und ist ganz froh, als der eine Pause ankündigt.

„Die Wunderübun­g“umschifft die Gefahr, langweilig zu werden, weil fast der ganze Film lediglich in dem Praxiszimm­er spielt, mit den schlagfert­igen Dialogen und den drei Schauspiel­ern: Striesow nimmt man den gebeutelte­n Ehemann ebenso ab wie Joana die abgekämpft­e Gattin – und Steinhauer als undurchsch­aubarem Therapeute­n schaut man gerne bei der Arbeit zu.

Kreihsls Film fügt dem arg ausgelutsc­hten Thema Beziehungs­krise keine neuen Erkenntnis­se hinzu, kurzweilig ist er trotzdem. Dank der Schauspiel­er verzeiht man ihm gar sein vorhersehb­ares Ende.

Österreich 2018 – Regie: Michael Kreihsl, mit Devid Striesow, Aglaia Szyszkowit­z, Erwin Steinhauer, 90 Min.

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FOTO: DPA Valentin (Devid Striesow) und Joana (Aglaia (Szyszkowit­z).

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