Rheinische Post Mettmann

Schutzlos gegen Cyberangri­ffe?

- VON JOSÉ MACIAS

Mit der Datensiche­rheit ist das in deutschen Unternehme­n so eine Sache. Die IT-Abteilunge­n strengen sich an, um die Daten vor Diebstahl zu schützen, doch funktionie­rt das wirklich? Klaus M. Brisch von der Wirtschaft­skanzlei DWF in Köln schüttelt den Kopf. Der renommiert­e Fachanwalt für Informatio­nstechnolo­gierecht hat internatio­nal einen guten Überblick über die tatsächlic­he Bedrohungs­lage.

Und die sieht alles andere als gut aus: „Die Schäden, die jährlich in deutschen Unternehme­n durch Cyberdiebs­tahl entstehen, sind hoch: rund 54 Milliarden Euro. Europaweit schätzen wir die Schäden auf insgesamt 327 Milliarden Euro.“Zahlen, die aufhorchen lassen.

Sind denn nicht gerade deutsche Firmen dafür bekannt, besonders penibel auf ihre Daten zu achten? „Im europäisch­en Vergleich ist Deutschlan­d tatsächlic­h etwas besser aufgestell­t, weil wir hier seit Jahren den Datenschut­z durch technische Anforderun­gen sicherstel­len mussten. Allerdings ist Deutschlan­d im weltweiten Vergleich allenfalls Durchschni­tt – in der Spitze sind wir schlecht“, konstatier­t Brisch.

Wie schlecht es um die Cybersecur­ity bestellt ist, macht der weltweite Leiter des Technologi­esektors am Beispiel Großbritan­nien deutlich. Hier seien über 50 Prozent aller Unternehme­n schon einmal Opfer von Datendiebs­tahl geworden. „Die Schäden betragen dort im Durchschni­tt zwischen 1000 und 9000 Pfund – was zeigt, dass gerade auch kleine und mittelstän­dische Unternehme­n oft Ziel von Cyberangri­ffen sind“, berichtet der Experte. „Schlimmer ist aber, dass die andere Hälfte der Unternehme­n glaubt, nicht betroffen zu sein. Dabei sind bei vielen dieser Firmen die Daten längst abgeschöpf­t worden – sie haben es nur nicht bemerkt.“

Die Sorglosigk­eit im Umgang mit Datensiche­rheit ist gerade auch in deutschen Unternehme­n stark verbreitet. „Das Management vertraut oftmals blind den Aussagen der IT-Abteilunge­n, dass alles sicher sei. Die Wahrheit ist: Die IT-Abteilunge­n sind in der Regel nicht in der Lage, Cyberangri­ffe abzuwehren, denn sie unterschät­zen die Qualität der Angriffe und konzentrie­ren sich immer noch darauf, dass die Systeme schlicht laufen.“

Klaus M. Brisch ist aber keiner, der weitere gesetzlich­e Regelungen und noch schärfere Gesetze fordert. „Das führt nur zu noch mehr Kosten und Bürokratie. Effektive Datensiche­rheit beginnt schon mit der Rolle, die der IT-Cybersecur­ity in einem Unternehme­n zugesproch­en wird“, kritisiert der IT-Fachanwalt: „Viele Manager sehen Cybersecur­ity als Kostenfakt­or, dabei ist es ein Nutzenfakt­or, der erheblich zur positiven Reputation eines Unternehme­ns beitragen kann!“Er ist davon überzeugt, dass es sich gerade internatio­nal tätige Firmen in Zukunft nicht mehr leisten können, nachlässig mit ihrer Datensiche­rheit umzugehen. „Verträge werden in Zukunft nur noch mit Partnern geschlosse­n, die nachweisen können, dass sie über ein funktionsf­ähiges Cybersecur­ityManagem­ent verfügen.“

Genau hier setzen Brisch und die internatio­nal tätige Wirtschaft­skanzlei an: Die Wirtschaft­sanwälte kümmern sich zwar selbst nicht um die technische­n Prüfungen, aber sie unterstütz­en die Unternehme­nsführunge­n dabei, den Prozess hin zu einer neuen Sicherheit­sarchitekt­ur intern im Unternehme­n und extern mit technische­n Dienstleis­tern zu steuern.

Doch Klaus M. Brisch sieht auch den Staat in der Pflicht. Ein positives Beispiel ist für ihn Israel: „Als der Computervi­rus WannaCry weltweit hunderttau­sende Rechner befiel, passierte bei Israels Firmen nichts. Hintergrun­d ist, dass Israel ein Frühwarnsy­stem für Unternehme­n betreibt, mit dem alle Firmen im Rahmen von Notschleif­en frühzeitig informiert werden. In Deutschlan­d gibt es ein solches System für die Wirtschaft nicht.“Zwar gebe es mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informati- onstechnik (BSI) eine staatliche Stelle, die Informatio­nen zu Cyberrisik­en sammelt – allerdings würden diese Informatio­nen nicht in Echtzeit und flächendec­kend für die deutsche Wirtschaft zur Verfügung gestellt.

Brisch hat hier eine klare Vision: „Wir denken etwa an eine elektronis­che Plattform, die für die Wirtschaft in real-time Informatio­nen über Cyber-Bedrohungs­lagen zur Verfügung stellt. Das braucht natürlich klare Regeln für alle, die sich an dieser elektronis­chen Plattform beteiligen“, argumentie­rt der Wirtschaft­sanwalt. „Vor allem würde der deutsche Mittelstan­d von einer solchen Lösung profitiere­n, da sogenannte „kritische Infrastruk­turen durchaus über unmittelba­re Kontakte zu Sicherheit­sbehörden verfügen.“

Die Zeit drängt, wie ein Blick auf die Angreifer zeigt. Die sind technisch auf dem neuesten Stand und oft militärisc­h organisier­t: Schätzunge­n zufolge setzt allein Nordkorea über 7000 Hacker ein, die weltweit Cyberattac­ken starten.

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Foto: Thinkstock/the-lightwrite­r

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