Mays Cherry-Picking
Theresa May wähnt sich auf gutem Weg: Den Hardlinern ihrer Partei geht der von der Premierministerin durchgesetzte Zwölf-PunktePlan zu weit, der EU nicht weit genug. Hat sie also den goldenen Mittelweg zwischen den Brexiteers um Boris Johnson und den Freihändlern in Brüssel gefunden? Nein. Mays Plan ist ein Etappensieg im innerparteilichen Machtkampf, im Streit mit der EU führt er nicht weiter. May will, dass die Briten beim Handel mit Industrie- und Agrargütern weiter alle Vorzüge des EU-Binnenmarkte nutzen, bei Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmern die Schotten jedoch dicht machen. Das ist Cherry-Picking, das kann die EU nicht akzeptieren.
Das Fundament des Binnenmarktes sind vier Freiheiten, nicht eine: die Freiheit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. May denkt parteipolitisch, die europäische Dimension hat sie nicht erfasst. Dabei drängt die Zeit. Am 29. März gehen die Schlagbäume runter. Die Gefahr eines wilden Brexits, der Unternehmen und Bürger in Großbritannien wie EU allein lässt, steigt.
Seehofer muss liefern
Umfragen sind nur eine Momentaufnahme. Aber eine wichtige für Politiker. Oft bestimmen sie danach ihre Agenda. Eine neue Erhebung zeigt nun, dass die Krise der Union nur einen Gewinner hat: die AfD. Die Partei, die die CSU mit ihrem harten Kurs in der Asylpolitik auf Distanz halten will, hat am meisten davon profitiert. Die ganze Koalition geht geschwächt aus dem Chaos der vergangen Wochen hervor.
CSU-Chef Horst Seehofer muss jetzt liefern. Seiner Ansicht nach hat die CSU die Koalition zur Asylwende getrieben. Dann steht er als Innenminister auch in der Pflicht, sie umzusetzen - und nicht wie in der vorigen Woche, gleich umzufallen, nur weil Österreichs Kanzler Kurz sagt, nichts dürfe zu Lasten seines Landes gehen. Der erste Test, wie gut Seehofer international verhandeln kann, ist am Mittwoch, wenn er seine rechtspopulistischen Amtskollegen aus Österreich und Italien trifft. Es ist aber sehr fraglich, ob die CSU die AfD klein halten kann. Bundesweit hat sie gerade das Gegenteil erreicht. Man kann eben niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt.