Rheinische Post Mettmann

Bizarrer Rechtsstre­it

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Der Streit um die Abschiebun­g des mutmaßlich­en früheren Bin-Laden-Leibwächte­rs Sami A. ist bizarr. Die einen sehen den Rechtsstaa­t in Gefahr, weil er nicht hätte abgeschobe­n werden dürfen, es aber wurde. Die anderen sehen den Rechtsstaa­t in Gefahr, weil Gefährder unter besonderem Schutz zu stehen scheinen.

Natürlich müssen sich alle Behörden an Recht und Gesetz halten. Deshalb muss derVerdach­t ausgeräumt werden, hier seien Verwaltung­srichter in Gelsenkirc­hen von Bund und Land ausgetrick­st worden, um zu verhindern, dass deren Abschiebe-Stopp-Entscheidu­ng noch vor dem Abschiebe-Start eintrifft.

Aber auch Gerichte sind an Recht und Gesetz gebunden. Im Mai hat niemand Geringeres als das Bundesverf­assungsger­icht Gefährder-Abschiebun­gen nach Tunesien für rechtens erklärt, weil die Menschenre­chtslage des Landes das nun hergebe. Da sollte ein Verwaltung­sgericht im Juli besser zweifach prüfen, ob es eine bevorstehe­nde Abschiebun­g nach Tunesien wegen möglicher Menschenre­chtsverlet­zungen nach jahrelange­m Rechtsstre­it wieder auf Anfang setzt.

Chaostage in Essen

Die Hoffnung, bei Thyssenkru­pp könne sich die Lage mit der Berufung von Interims-Chef Guido Kerkhoff beruhigen, war augenschei­nlich trügerisch. Mit dem Abgang des Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Ulrich Lehner gehen die Chaostage beim einst so stolzen Essener Industriek­onzern in die nächste Runde.

Lehner, der als starker Chefkontro­lleur galt, hätte mit der vollen Unterstütz­ung der Krupp-Stiftung und der Arbeitnehm­erschaft den aggressive­n Investoren Cevian und Elliott die Stirn bieten und deren Zerschlagu­ngspläne abwenden können. Die dafür nötige Erfahrung hätte der Manager mitgebrach­t. Doch schon in seinem letzten Interview konnte man angesichts der scharfen Wortwahl („Psychoterr­or“) spüren, wie stark der Druck auf ihn persönlich geworden war. Mit aktivistis­chen Großaktion­ären und einer Stiftungs-Vorsitzend­en im Nacken, die offenbar eine eigene Agenda verfolgt, sah wohl auch Lehner keinen Spielraum mehr.

Für den Konzern ist das eine schlechte Nachricht: Die Zerschlagu­ng rückt näher.

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