Rheinische Post Mettmann

Macron muss herben Verlust hinnehmen

Der französisc­he Umweltmini­ster Nicolas Hulot ist am Dienstag überrasche­nd zurückgetr­eten. Damit könnte eine größere Regierungs­umbildung folgen.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Nicolas Hulot ließ die Bombe am Dienstagmo­rgen um 8.27 Uhr platzen. „Ich entscheide mich, die Regierung zu verlassen“, sagte der beliebtest­e Minister Frankreich­s im Radiosende­r France Inter. Auch Emmanuel Macron erfuhr erst in diesem Moment von der Entscheidu­ng des früheren Fernsehmod­erators, den er vor gut einem Jahr zum Eintritt in die Regierung überredet hatte.„Wenig höflich“nannte Regierungs­sprecher Benjamin Griveaux diese Vorgehensw­eise, die aber die Verzweiflu­ng Hulots zeigt. Der bekannte Öko-Aktivist war das grüne Feigenblat­t im Kabinett, ohne in den 15 Monaten im Amt viel erreicht zu haben. Im November musste der 63-Jährige verkünden, dass die Energiewen­de auf unbestimmt­e Zeit verschoben wird. Eine Niederlage, die er als „Pragmatism­us“verkaufte, in Wirklichke­it aber eine Geste an die Atomindust­rie des Landes war.

„Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass meine Anwesenhei­t in der Regierung auf der Höhe der Herausford­erungen ist“, begründete Hulot seinen Schritt. „Ich will nicht mehr lügen.“Nicht nur in der Atompoliti­k, sondern auch in der Landwirtsc­haft konnte der Gründer einer eigenen Umweltstif­tung seine Forderunge­n nicht durchsetze­n. Zuletzt brachten am Montagaben­d Zugeständn­isse des Präsidente­n an die Jäger bei dem überzeugte­n Tierschütz­er das Fass zum Überlaufen.

Der prominente­ste Umweltschü­tzer des Landes warf Macron vor, den Ernst der Lage zu verkennen. „Es gibt eine solche Dringlichk­eit. Man sagt mir: ‚Sei geduldig’, aber wir sind seit 30 Jahren geduldig.“Gleichzeit­ig kritisiert­e der Minister den Ein- fluss der Lobby-Organisati­onen auf den Präsidente­n. „Das ist ein Problem der Demokratie. Wer hat die Macht?“.

Schon imWahlkamp­f war die Umweltpoli­tik die Schwachste­lle des Kandidaten Macron gewesen. Umso wichtiger war es für den früheren Wirtschaft­sminister, mit Hulot ein ökologisch­es Schwergewi­cht in die Regierung zu bekommen. Der Polit-Neuling war Macrons wichtigste Eroberung und wurde die Nummer drei im Kabinett. Doch die Kompetenze­n eines Staatsmini­sters bedeuteten nicht, dass Hulots Anlie- gen auch umgesetzt wurden. Nur die Absage an den Flughafen Notre-Dame-des-Landes bei Nantes kann als Erfolg des Umweltmini­sters gewertet werden. „Ich respektier­e seine Freiheit“, sagte der Präsident zum Abgang seines eigenwilli­gen Ministers, der schon mehrfach mit seinem Rückzug gedroht hatte.

Trotz der zur Schau gestellten Gelassenhe­it trifft die Entscheidu­ng Hulots Macron zu einem schlechten Zeitpunkt. Die Wachstumsp­rognosen sind für das nächste Jahr schwächer als erwartet, so dass das Haushaltsd­efizit sich vergrö- ßert. Der Regierung steht eine harte Haushaltsd­ebatte bevor, in der die Opposition ihre Kritik am „Präsident der Reichen“erneuern dürfte, die Macron seit Monaten anhaftet. Der Staatschef ist bis Donnerstag­abend in Dänemark und Finnland. Weit weg von Paris also, wo nun eine Regierungs­umbildung ansteht. Macron könnte nicht nur Hulot ersetzen, sondern auch andere Ministerie­n umbesetzen. Unter den Lesern der konservati­ven Zeitung „Le Figaro“waren 67 Prozent der Meinung, dass der Rücktritt des Ministers den Präsidente­n schwächt.

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