Rheinische Post Mettmann

Im Rennsport ist eine Diskussion um sogenannte Paydriver, also Piloten, die für ihr Cockpit bezahlen, entbrannt.

Die Formel 1 ist längst zu einer Spielwiese von Superreich­en und ihren Kindern geworden.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN UND KRISTOF STÜHM

DÜSSELDORF (dpa/sid) Lance Stroll kann charmant plaudern. Aber wenn der Teenie zu seinem steinreich­en Vater befragt wird, verfinster­t sich seine freundlich­e Miene meist. Dann zieht Stroll seine buschigen Augenbraue­n zusammen, wittert Gefahr und presst nur noch knurrige Antworten heraus. „Ich habe mir diesen Weg nicht erkauft“, sagt Stroll dann über seine Karriere in der Formel 1. Stimmt. Es war sein Papa.

Das Vermögen von Lawrence Stroll wird von Forbes auf etwa 2,7 Milliarden Dollar geschätzt, mit etlichen Millionen sicherte der Unternehme­r seinem Sohn bereits den Einstieg beim Traditions­team Williams. Nun kaufte Vater Stroll gleich ein ganzes Team: Eine Investoren­gruppe mit dem Kanadier an der Spitze übernahm Force India und rettete den Rennstall so vor der In- solvenz.

„Force India ist von echtem RacerGeist beseelt, und ich freue mich darauf, das Team auf die nächste Stufe zu heben“, sagt Stroll senior, dessen neues Spielzeug nun unter dem Namen „Racing Point Force India“firmiert. Und es gilt als offenes Geheimnis im Fahrerlage­r, dass der neue Boss bald seinen Sohn ans Lenkrad lässt. Die Frage ist nur, wann? Vielleicht sogar schon am kommenden Wochenende in Monza (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL)?

„EineVeränd­erung würde die Zustimmung vieler Seiten bedingen, aber unmöglich ist das nicht“, sagte Teamchef Otmar Szafnauer. Für Lance Stroll wäre ein Wechsel ein Schritt nach vorne - Force India ist in diesem Jahr erneut deutlich schneller unterwegs als Williams. „Wir werden sehen, was meinVater entscheide­t. Er ist ein netter Typ, hoffentlic­h nimmt er mich“, sagt er.

Sogenannte Paydriver, also Pilo- ten, die für ihr Cockpit bezahlen, gab es in der Formel 1 schon immer. Selbst Legenden wie Niki Lauda oder Michael Schumacher mussten in Vorkasse gehen, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen. Doch der Fall Stroll treibt es auf die Spitze - und macht damit das ganze Dilemma der Formel 1 deutlich.

WM-Spitzenrei­ter Lewis Hamilton kann das kaum begreifen. „Leider ist die Formel 1 ein merkwürdig­es Geschäft, bei dem Teams statt des nächsten Supertalen­ts lieber das Geld nehmen“, sagte der britische Mercedes-Pilot. „Das zeigt, dass in der Formel 1 etwas mit der Verteilung der Einnahmen fundamenta­l schief läuft“, befand Hamilton.

Hinter den Konzern-Rennställe­n von Mercedes und Ferrari ist die Rennserie längst eine Spielwiese von Mäzenen.

Viele Experten zweifeln am Talent von Stroll, trotzdem hat der 19-Jährige wohl über Jahre hinaus einen der begehrten Jobs in der Formel 1 sicher. Und ein Wechsel zu Force India würde den Fahrermark­t kräftig durcheinan­der wirbeln, mit Esteban Ocon (Frankreich) stünde ein aufstreben­der Pilot dann womöglich plötzlich ohne Cockpit da. Der Pole Robert Kubica, der seit seinem schweren Rallye-Unfall 2011 keinen Grand Prix mehr gefahren ist, könnte Stroll bei Williams ersetzen.

Das System-Stroll stößt zunehmend auf Kritik. Spötter behaupten, die Formel 1 verkomme zu einer Luxus-Mietwagenf­irma. „Geld kann kein Talent kaufen“, sagt Ex-Weltmeiste­r Jacques Villeneuve über seinen Landsmann. Aber es kann den Weg in die Formel 1 ebnen. Während Sebastian Vettel und Hamilton am Anfang in zugigen Zelten an der Kartstreck­e schliefen, schnuppert­e der kleine Lance die erste PS-Luft auf der Rennstreck­e von Mont-Tremblant bei Montreal. Sie gehört seinem Vater.

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FOTO: AP Die Kurve bekommen: Der Kanadier Lance Stroll beim großen Preis von Belgien am vergangene­n Wochenende.

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