Zurück zum Vers
Sina Klein hat ihren zweiten Gedichtband vorgelegt. Er trägt den rätselhaften Titel „skaphander“. Die Texte sind zauberhaft.
Was heute große Sprachkunst ist, begann vor vielen Jahren klein und bescheiden: Als Sina Klein 17 war, beobachtete sie eineWaschmaschine beim Schleudern und versuchte währenddessen, Sätze in ihrem Kopf zu sortieren. Die, die letzten Endes auf Papier standen, passten ihr aber nicht. Viele Jahre später, Klein studierte Romanistik, Anglistik und Germanistik an der Heine-Uni, fand sie zum Vers zurück. Sie belegte Lyrik-Seminare, las Gedichte. Irgendwann die Gewissheit: Das ist die Art, wie ich mich ausdrücken möchte. „Weil mich die Gedichte anderer beim Lesen so unmittelbar erwischten, so, als wäre ich selbst das Gedicht, das Du und die Welt, alles gleichzeitig“, erklärt Klein.
Zwei Lyrikbände hat die 35-Jährige mittlerweile beim Wiener Klever Verlag veröffentlicht. „Narkotische Kirschen“erschien 2014,„skaphander“folgte soeben. Der titelgebende Begriff bezeichnet einen Schutzanzug für extreme Druckverhältnisse, wie ihn Raumfahrer tragen.Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort „Hohlraum Mensch“.
Dabei war es der Umgang mit dem Digitalen, der Sina Klein interessierte. Höhlt uns das Anfüttern sozialer Netzwerke und der eigenen Blasen aus? Sind wir verbundener oder entfernen wir uns voneinander? Mit wem sprechen wir, wenn wir etwas posten? Fragen, die die Lyrikerin Klein umtrieben und Gedichte wie dieses hervorbrachten:„ich komme nicht mehr ran an deine hand / an deinen kern, an alles, was im anzug / eingefangen ist, und ich erfand/dich noch mal neu, in freiem flug.Wir waren füreinander / unverschanzt / du hattest nichts von diesem schild, ich trug/statt panzer haut und haar.“
Es gehört zur Raffinesse von Kleins sprachlichem Tun, dass sich die Verse zunächst wie Liebesgedichte lesen. Und doch auch anders zu verstehen sind. Man werde mit Sina Kleins Gedichten nie fertig, hat mal ein Kollege vom Deutschlandfunk Kultur gesagt. „Eine schöne Irritation bleibt immer.“
Die Dichterin selbst hat durchaus den Eindruck, dass das Intime zum Universalen führe. Allgemeingut werde ein Gedicht unter Umständen schon im eigenen Wohnzimmer, „weil es immer etwas anderes von mir will, als ich von ihm“. Beim Vortragen gehe es ihr dann um die Resonanz des Einzelnen, die sie wieder zur Intimität zurückführe. Zu einem Gespräch unter vier Augen im öffentlichen Raum.
Letzteres findet derzeit besonders häufig in ihrer neuen Wahlhei- mat statt, in Wien. Und es gibt wohl kaum eine Stadt, in der man sich eine nachdenkliche, schwermütige Dichterin wie Sina Klein besser vorstellen könnte. Nach 32 Jahren in Düsseldorf bewegt sie sich heute selbstverständlich zwischen Berlin und Wien, Ungarn und Rumänien. „Vielleicht sehe ich jetzt mehr“, überlegt sie, „aber nicht wegen des Ortes, an dem ich neu angekommen bin, sondern aufgrund der Tatsache, dass ich einen Ort verlassen habe.“