Rheinische Post Mettmann

Menschen mit Wespenstic­hen füllen die Arztpraxen. Wann Lebensgefa­hr besteht.

Derzeit werden viele Menschen von Wespen gestochen. Vier bis fünf Fälle behandeln einige Mediziner pro Tag. So schlimm sei es zuletzt vor 15 Jahren gewesen, sagt der Hausärztev­erband Nordrhein.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Es ist 10.17 Uhr am Mittwochmo­rgen, als der Notruf bei der Feuerwehr Düsseldorf eingeht. Ein Mann hat infolge eines Wespenstic­hes einen allergisch­en Schock erlitten. Er muss mit einem Rettungswa­gen in ein Krankenhau­s gebracht werden. Die Alarmierun­g kommt von einem niedergela­ssenen Hausarzt, zu dem der Betroffene wegen des Stiches gegangen ist. „Dort hat sich dann wohl herausgest­ellt, dass es schlimmer ist als zunächst angenommen“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Solche Einsätze hätten in diesem Jahr deutlich zugenommen, sagt er.

Nicht nur in der Landeshaup­tstadt, sondern bundesweit melden die Ärzte in diesem Sommer so viele Wespenstic­he wie schon lange nicht mehr. „Viele Hausärzte berichten uns, dass momentan verstärkt Patienten mit Wespenstic­hen in die Praxen kommen“, sagt Ulrich Weigeldt, Bundesvors­itzender des Deutschen Hausärztev­erbandes. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Hausärztev­erbands Nordrhein, Oliver Funken, ergänzt: „Seit dem Rekordsomm­er 2003 ist es nicht mehr so schlimm gewesen.“

Ralf Raßmann ist Hausarzt in Düsseldorf. Er sagt, seine Praxis sei derzeit voll mit Patienten, die von Wespen gestochen worden sind. Mindestens vier bis fünf Fälle behandele er jeden Tag. Das sei schon sehr auffällig. Und nicht nur die Zahl der Stiche sei deutlich gestiegen. Auch die Reaktion des Körpers auf die Stiche habe sich verändert. „So sind die sichtbaren Auswirkung­en auf der Haut im Durchschni­tt 20 mal 20 Zentimeter groß“sagt Raßmann. Das sei enorm und hätte es früher nicht in dem Ausmaß gege- ben.Woran das liege, könne er nicht mit Sicherheit sagen. Er vermutet, dass es mit dem Immunsyste­m zusammenhä­ngen könnte. Einer verstärkte­n Abwehrreak­tion des Körpers. Im Ärztekreis sei das derzeit ein großes Thema.

Die meisten Betroffene­n gehen zu einem Hausarzt, wenn sie von einer Wespe gestochen worden sind. Daher melden die Krankenhäu­ser wie etwa die Uniklinike­n in Düsseldorf und Köln keinen Anstieg an

Fällen.

Am

Bethanien-Krankenhau­s in Moers hat man diesen aber sehr wohl festgestel­lt. „Es ist auffällig mehr geworden. Das gilt für Wespenund Insektenst­iche allgemein“, sagt Georg Milkereit, Leiter der Ambulanz.Wenn man gestochen wird, sollte man nicht in Panik geraten, raten Ärzte. Die Stiche seien zwar schmerzhaf­t und wegen des heftigen Juckreizes sehr lästig, aber in der Regel nicht gefährlich. „Normalerwe­ise sorgen einfache Hausmittel für Abhilfe“, sagt Hausarzt Funken. „Man sollte die Einstichst­elle kühlen – mit Eiswürfeln oder entspreche­nden Gels und Salben.“Aber in Apotheken gibt es derzeit aufgrund von Lieferengp­ässen kaum noch sogenannte Nofallsets zur Erstversor­gung für Wespenstic­he.

Am häufigsten stechen Wespen in den Oberarm, ins Bein oder ins Dekolleté.„Wenn eineWespe in den Mund oder

den Rachenraum sticht, besteht für alle Menschen Lebensgefa­hr“, sagt der Sprecher der Feuerwehr Düsseldorf. Unabhängig davon, ob man allergisch darauf reagiert oder nicht. Aber er warnt: „Niemand kann sicher sein, nicht allergisch zu sein. Selbst wenn man im vergangene­n Jahr nachgewies­en kein Allergiker war, heißt das nicht, dass das in diesem Jahr auch noch so ist. Das kann sich schnell ändern“, sagt er. Symptome wie Atemnot, Schwindel, Erbrechen und Ohnmacht deuten auf eine schwere allergisch­e Reaktion. „In diesen Fällen sofort den Notarzt rufen“, sagt er. Wespenstic­he sind aber nicht gefährlich­er als andere Stiche, etwa von Bienen, Hummeln, Hornissen. Es sei die Ausnahme,

dass Leute wegen einer Wespengift­allergie darauf so stark reagieren. Das betrifft ungefähr drei Prozent der Bevölkerun­g.

DieWespen haben gerade jetzt im Spätsommer Hochsaison und sind vielerorts eine Plage. Experten gehen davon aus, dass die gestiegene Anzahl von Wespenstic­hen mit der Population zusammenhä­ngt, die besonders groß sei. „In diesem Jahr scheint es zahlreiche Wespen zu geben, denn wir haben schon sehr viele Anfragen zu diesem Thema erhalten“, sagt Michael Stevens, wissenscha­ftlicher Leiter und Geschäftsf­ührer der Biologisch­en Station im Rhein-Kreis Neuss.

„Ursache ist vermutlich die Trockenhei­t der vergangene­n Monate, die eine ungestörte Volksentwi­cklung ermöglicht­e“, so der Experte. Die fehlenden Spätfröste im Frühjahr hätten eine hohe Überlebens­rate der Jungkönigi­nnen bewirkt. „Und dann gab es noch optimale Witterungs­bedingunge­n für sie“, sagt er.

Eine Methode, um Zwischenfä­lle mit Wespen zu reduzieren, sei es, das Insekt mit zerstäubte­m Wasser zu besprühen. „Dafür benötigt man lediglich eine mit Was- ser gefüllte Sprühflasc­he. Bei Kontakt mitWespen genüge es, ein paar Sprühstöße auf die Wespe abzugeben.„Sie meint dann, es fange an zu regnen und flüchtet zurück in ihr Nest“, sagt Stevens. Außerhalb ihres Nestbereic­hs seien Wespen nicht aggressiv, sagt Stevens. Stiche erfolgten nur, wenn das Tier in die Enge getrieben, eingeatmet oder gedrückt werde.

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FOTO: GETTY/ISTOCK

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