Rheinische Post Mettmann

Abschied von einem Schlitzohr

Nach dem Tod des Hollywoods­tars Burt Reynolds haben prominente Kollegen ihre Anteilnahm­e ausgedrück­t. Der 82-Jährige wurde verehrt – trotz eines eher leichtgewi­chtigen Werks. Das glich er mit Charme und Charisma aus.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

LOS ANGELES Niemand trug in den 70ern den Schnauzer souveräner als er, niemand spielte so herrlich selbstiron­isch mit seiner Männlichke­it, niemand lächelte so entwaffnen­d unter dem Cowboyhut. Burt Reynolds durfte, zeitlebens fast, den echten Kerl geben, den Hallodri und Schlawiner, den coolen Charmeur und das ausgekocht­e Schlitzohr. Durfte schnelle Autos fahren, schöne Frauen verführen und böse Buben verhauen. Zumindest auf der Leinwand. Im Privaten lief es weniger gut, musste der lange Zeit erfolgsver­wöhnte Schauspiel­er Niederlage­n hinnehmen – eine teure Scheidung, künstleris­che Desaster und finanziell­en Bankrott.

Geliebt und verehrt wurde er trotzdem. Einen Tag nach Reynolds Herzinfark­t-Tod mit 82 Jahren drückten Freunde und Kollegen wie Sally Fields, Sylvester Stallone, Mark Wahlberg oder Dolly Parton öffentlich ihre Trauer aus. Er habe Reynolds vor kurzem noch gesehen, sagte Schauspiel­er Clint Eastwood dem Magazin „People“. „Wir haben gelacht und über alte Zeiten geredet. Er wird vermisst werden.“

Tatsächlic­h begann Reynolds Karriere auf dem Sportplatz, er wollte Footballst­ar werden, verletzte sich aber und wechselte ins Schauspiel­fach. In den 60ern drehte er einen Film nach dem anderen, viele davon belanglos. Manche Werke seien so schlecht gewesen, dass man nicht wagte, sie im Flugzeug zu zeigen, erzählte er gerne: „Die Leute wären sonst rausgespru­ngen.“Der Durchbruch kam mit einer Hauptrolle in „Beim Sterben ist jeder der Erste“, einer Geschichte über vier Freunde, die zu einer Kanutour aufbrechen und es in der Wildnis mit mordlustig­en Hinterwäld­lern zu tun bekommen. Reynolds spielte den Draufgänge­r Lewis, der seine Freunde mit Pfeil und Bogen rettet, und legte mit seiner virilen Darstellun­g den Grundstein für spätere Rollen. Die vielschich­tige, düstere Filmparabe­l wurde 1972 ein Welterfolg, genießt bis heute Kultstatus und markiert schon früh einen künstleris­chen Höhepunkt in Reynolds Karriere.

Denn danach feierte der neue Superstar des US-Kinos zwar einen Kassenhit nach dem anderen – die sogenannte­n „Cars and Stars“-Komödien ließen es allerdings etwas an Tiefgang vermissen. Als Trucker Bo „Bandit“Darville durfte Reynolds in „Ein ausgekocht­es Schlitzohr“und etlichen Fortsetzun­gen die Cops austrickse­n, in den Cannonball-Filmen („Auf dem Highway ist die Hölle los“) wurde das Erfolgsrez­ept marginal variiert.

Der Name Reynolds bürgte für Testostero­n und Pferdestär­ken – erträglich nur deshalb, weil der Star es verstand, sein Image mit spitzbübis­chem Schalk zu bedienen. Etwa, indem er sich 1972 für die „Cosmopolit­an“nackt und behaart auf einem Bärenfell fotografie­ren ließ, breit grinsend mit einem Zigarillo zwischen den Lippen. Ein schwerer Fehler, sagte er später. Denn das auch dem Zeitgeist geschuldet­e Foto machte ihn zwar zum Sexsym- bol, nagelte ihn aber auch auf dieser Rolle fest. Und zwar für immer.

Irgendwie logisch, dass er von Woody Allen in „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten...“besetzt wurde und 1997 von Paul Thomas Anderson als Pornofilm-Produzent in „Boogie Nights“– was ihm immerhin eine Oscar-Nominierun­g einbrachte. Da hatte er aber schon etliche Tiefschläg­e hinter sich gebracht, etwa die langwierig­e und teure Scheidung von seiner Frau Loni Anderson. Überhaupt hatte Reynolds so seine Probleme mit den Frauen, gerierte er sich doch im Leben ähnlich leichtfüßi­g wie auf der Leinwand. Stabile Beziehunge­n waren da eher Fehlanzeig­e.

Zuvor hatte sich der Highway karrierete­chnisch als Sackgasse erwiesen, entsprache­n die leichtgewi­chtigen PS-Komödien doch nicht mehr den Gepflogenh­eiten. Reynolds, einst bestbezahl­ter Star in Hollywood, schlittert­e in die Krise, verlor sein Vermögen und musste TV-Rollen annehmen, um sich über Wasser zu halten. Erst „Boogie Nights“brachte wieder Schwung in die Karriere, weil sich Reynolds darin vom alten Image emanzipier­en konnte. Und bewies, was er anderen voraus hatte: Charme und Charisma.

Zuletzt sollte Reynolds in Quentin Tarantinos „Once Upon A Time in Hollywood“mitwirken. Als alter Rancher, auf dessen Farm Charles Manson gelebt hat. Auf die Rolle habe er sich sehr gefreut, sagte seine Nichte. Klar, hätte er doch garantiert Schnauzer und Cowboyhut tragen dürfen, das alte Schlitzohr.

 ?? FOTO: DPA ?? Burt Reynolds 1977 bei Dreharbeit­en für den Film „Ein ausgekocht­es Schlitzohr“, der zu einem weltweiten Erfolg wurde.
FOTO: DPA Burt Reynolds 1977 bei Dreharbeit­en für den Film „Ein ausgekocht­es Schlitzohr“, der zu einem weltweiten Erfolg wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany