Sprechstunde per Video
Seit 2017 sind Video-Sprechstunden in Deutschland erlaubt, doch der Weg zur Fernbehandlung per Video ist mühsam.
Sie war lange in der Ärzteschaft umstritten, die Video-Sprechstunde. Dabei können bereits seit dem 1. April 2017 VideoSprechstunden von den Krankenkassen abgerechnet werden. Doch das neue Kommunikationsmittel kam bislang nur mühsam in Gang, zu viele Regeln und auch eine zu geringe Vergütung waren nicht gerade innovationstreibend. Da kam die Entscheidung des Deutschen Ärztetages im Mai zum richtigen Zeitpunkt: Endlich wurde die Berufsordnung gelockert und damit der Weg für die Fernbehandlung geebnet. Jetzt dürften Patienten in Ausnahmefällen auch ohne persönliche Erstkonsultation per Telefon oder digital behandelt werden.
Die Patienten jedenfalls begrüßen diese Entwicklung, wie eine aktuelle Umfrage der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) unterstreicht: Danach kann sich mehr als jeder zweite Patient vorstellen, per Video mit seinem Arzt zu kommunizieren. Es gibt ja auch schon positive Vorbilder. In der Schweiz etwa hat sich die Telemedizin längst etabliert. Der Schweizer Dienstleister Medgate ist dort seit dem Jahr 2000 aktiv und hat inzwischen über sieben Millionen Video-Sprechstunden angeboten.
Die deutsche Gesundheitswirtschaft hat hier Nachholbedarf, wie auch Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik bei der apoBank, betont: „Die Video-Sprechstunde steckt noch in den Kinderschuhen. Aus Gesprächen mit Praxisinhabern wissen wir, dass sie oft nicht die nötige Zeit haben, sich mit den digitalen Möglichkeiten der Patienten- versorgung auseinanderzusetzen.“Dennoch sieht der Experte der apoBank mit Zentrale in Düsseldorf mit der Entscheidung des Ärztetages die Branche in einer Aufbruchstimmung: „Nachdem sich der Bundesärztetage der Fernbehandlung gegenüber geöffnet hat, wird diese Option nun mit Sicherheit immer mehr Akzeptanz finden.“
Video-Sprechstunden und Online-Konsultationen sieht Zehnich vor allem als Ergänzung zum klassischen Arztbesuch. „Hierbei wird es vorrangig um die Betreuung bei chronischen Krankheiten gehen, etwa wenn schnell etwas abzuklären ist oder Folgerezepte ausgestellt werden müssen.“Auch die örtliche Flexibilität, gerade in den unter Ärztemangel leidenden ländlichen Regionen, sieht er als Vorteil. „Patienten wiederum ersparen sich unnötige Wege und Wartezeiten.“
Auf die Heilberufe kommt einiges zu, zumal sich die Einstellung der Patienten gegenüber neuen Technologien stark verändert. Die repräsentative apoBank-Umfrage hat noch mehr Ergebnisse ans Licht gebracht. Patienten sind nicht nur offen dafür, öfter mal per Video, Online-Terminverein- barung oder E-Mail mit ihrem Arzt zu kommunizieren.
Sie sehen Datensicherheit auch nicht unbedingt als Hindernis: 62 Prozent signalisieren eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft, ihre Gesundheitsdaten im Rahmen einer elektronischen Gesundheitsakte an Ärzte und Apotheker weiterzugeben. „Den Komfort, mit wenigen Klicks zum gewünschten Ergebnis zu kommen, erwartet der Patient zunehmend auch von den Heilberufen und fordert neue digitale Angebote, Innovationen und Services – dies trifft insbesondere auf jüngere Patienten zu“, fasst Daniel Zehnich zusammen.
JOSÉ MACIAS