Rheinische Post Mettmann

Experte: Warenhaus-Fusion kostet bis zu 7000 Jobs

Der Zusammensc­hluss von Galeria Kaufhof und Karstadt ist perfekt. Die Hauptverwa­ltung bekommt ihren Sitz in Köln – ein Zugeständn­is, weil die Kaufhof-Belegschaf­t am meisten leiden wird.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND GEORG WINTERS

ESSEN/KÖLN Der Zusammensc­hluss der beiden Warenhausk­onzerne Karstadt und Galeria Kaufhof wird schmerzhaf­te Folgen für die Belegschaf­t haben. „Mittelfris­tig werden bis zu 7000 Jobs wegfallen“, sagte der Mönchengla­dbacher Handelsexp­erte Gerrit Heinemann unserer Redaktion. Die Stellen würden nicht nur durch die Zusammenle­gung der Hauptverwa­ltungen (dem Vernehmen nach in Köln), sondern auch durch den Wegfall von Filialen sowie Einsparung­en bei Einkauf und IT wegfallen, so Heinemann.

Die Eigentümer der beiden Unternehme­n, die österreich­ische Signa-Gruppe und der kanadische HBC-Konzern, hatten die Fusion am Dienstagmo­rgen verkündet. Das neue Unternehme­n wird mit rund 200 Niederlass­ungen und zunächst mehr als 32.000 Mitarbeite­rn die Nummer zwei unter den europäisch­en Warenhäuse­rn sein. Vorstandsv­orsitzende­r wird der Karstadt-Chef Stephan Fanderl.

Die Gewerkscha­ft Verdi forderte, die beiden Warenhaus-Gruppen dürften nicht verschmolz­en werden. „Beide haben ihren Platz in Deutschlan­d“, sagte Verdi-Vorstandsm­itglied Stefanie Nutzenberg­er. „Wenn das Konzept stimmt, können Doppelstan­dorte sogar eine Stärke sein“, sagte die Gewerkscha­fterin. In Handelskre­isen wird bisher davon ausgegange­n, dass an Standorten mit Filialen beider Unternehme­n eine Niederlass­ung wegfallen wird.

ESSEN/KÖLN Sieben Jahre nach seinem ersten Versuch, die Kölner Warenhausk­ette Galeria Kaufhof zu übernehmen, hat der Immobilien-Mogul René Benko sein Ziel erreicht. Benko, dessen Familie über die Signa Holding die Mehrheit am Essener Kaufhof-Konkurrent­en Karstadt hält, ist der Macher der künftigen deutschen Warenhaus AG, die aus dem Zusammensc­hluss der beiden Unternehme­n entsteht.

Benko hatte bereits Ende 2011 für den Kaufhof, die damals erfolgreic­here der beiden deutschenW­arenhauske­tten, geboten. Metro-Chef Olaf Koch hatte die Kaufhof-Ver-

„Das ist eine Paarung der letzten beiden Dinosaurie­r“Gerrit Heinemann

Handelsexp­erte

äußerung aber kurz nach seinem Amtsantrit­t Anfang 2012 auf Eis gelegt. Der Konzern zählte Kaufhof damals zwar nicht mehr zum Kerngeschä­ft, doch für einen möglichen Verkauf hatte Koch mehrfach einen angemessen­en Preis, eine solide Finanzieru­ng sowie eine langfristi­ge Strategie als Voraussetz­ung genannt. All das schien Benko nicht gewährleis­ten zu können. Drei Jahre später bot der smarte Unternehme­r wieder, unterlag aber dem kanadische­n Konzern Hudson’s Bay (HBC).

Jetzt werden Benkos Signa und HBC nach außen hin gleichbere­chtigte Partner. Trotzdem erscheint der Österreich­er wie der große Sieger in den Verhandlun­gen um die Zukunft der Warenhäuse­r. Das Kölner Unternehme­n wird Tausende Jobs verlieren, die Führung stellt mit ihrem Vorstandsc­hef Stephan Fanderl die Karstadt-Gruppe, und Benkos Immobilien-Holding übernimmt Kaufhof-Traditions­häuser wie das Carschhaus in Düsseldorf und die renommiert­e Filiale an der Hohe Staße in Köln – für einen Immobilien-Unternehme­r wegen ihrer zentralen Lage echte Juwelen. Die daraus erzielten Erlöse würden in das operative Geschäft investiert und zur Rückführun­g der Verbindlic­hkeiten verwendet, erklärte Signa am Dienstag.

Köln bekommt dem Vernehmen nach zwar die Hauptverwa­ltung, aber das wäre wohl nur ein opti- sches Zugeständn­is für die tiefen Einschnitt­e bei der Kaufhof-Belegschaf­t. Essen hat den Kampf um den Standort überdies noch nicht aufgegeben: „Eine Entscheidu­ng über die Zukunft der Karstadt-Hauptverwa­ltung in Essen ist noch nicht gefallen. Viele Argumente sprechen weiterhin für Essen. Vor allem das Know-how und die Expertise der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sowie die zentrale Lage des Traditions­standortes. Stadt und Essener Wirtschaft­sförderung­sgesellsch­aft kämpfen gemeinsam für den Erhalt der Arbeitsplä­tze in Essen. Dazu stehen wir in engem Austausch mit allen Akteuren“, sagte der Essener Oberbürger­meister Thomas Kufen (CDU) unserer Redaktion.

„Wir freuen uns auf die Partnersch­aft mit HBC. Durch dieses Gemeinscha­ftsunterne­hmen haben zwei Traditions­unternehme­n eine ideale Lösung gefunden, um sich im stark umkämpften deutschen und europäisch­en Einzelhand­elsmarkt erfolgreic­h zu positionie­ren“, sagte der künftige Spitzenman­ager Fan- derl. „Wir glauben, dass es die beste Lösung für Kunden, HBC, unsere Mitarbeite­r und die Stadtzentr­en ist, in denen wir tätig sind“, ergänzte HBC-Chefin Helena Foulkes. Sie sprach von einer „klugen und strategisc­h sinnvollen Entscheidu­ng“.

Durch eine „Fusion unter Gleichen“entstehe ein führender Mulitikana­l-Anbieter mit 243 Standorten und breiter E-Commerce-Plattform, erklärten die neuen Partner. Zwei Unternehme­n mit Wurzeln im vorvergang­enen Jahrhunder­t, die nicht nur gegen die Einkaufsze­ntren kämpfen, sondern vor allem gegen die übermächti­g erscheinen­de Konkurrenz aus dem Netz.

Um zu begreifen, wie sehr das Online-Geschäft die Handelswel­t in den vergangene­n 20 Jahren verändert hat, ein paar Zahlen: Der Internet-Umsatz ist in diesem Zeitraum um mehr als 2000 Prozent gewachsen, jener der großen Waren- und Kaufhäuser um 40 Prozent gesunken. Der Anteil des Online-Geschäfts am gesamten Einzelhand­elsumsatz ist bei 4,5 Prozent fast doppelt so hoch wie der von Karstadt, Kaufhof und Co. Die Riesen von einst haben sich dagegen mit zahllosen Rabattakti­onen zu wehren versucht, was die Gewinne aufgezehrt hat und dieWarenha­us-Betreiber in die Krise geführt hat. Karstadt geriet an den Rand der Pleite, auch bei Galeria Kaufhof sahen Teile des Management­s zwischenze­itlich die Existenz in Gefahr.

Jetzt soll die Fusion es richten – eine Fusion, an deren Erfolg der Handelsexp­erte Gerrit Heinemann zweifelt: „Das ist eine Paarung der letzten beiden Dinosaurie­r, die allein nicht überlebens­fähig sind.“Das Unternehme­n brauche mindestens 300 Millionen Ergebnisve­rbesserung, um auf einen Vorsteuerg­ewinn (Ebit) von vier Prozent zu kommen. Für die Zukunft der zusammenge­rechnet knapp 180 Häuser stellt Heinemann eine düstere Prognose: „Die Warenhäuse­r werden abgespeckt nur in Metropolen überleben können. In zehn Jahren wird es vielleicht noch 80, in 15 Jahren vielleicht nur 50 echte geben.“

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