Rheinische Post Mettmann

Immer der Niers nach

Auf der Wanderung von Goch entlang der Niers kann man die Renaturier­ung des Flusses sehen, mit ein wenig Glück dem Philosophe­n „Sokrates“begegnen – und eine überrasche­nd abwechslun­gsreiche Landschaft erleben.

- VON FRANZ HÜNNEKENS

GOCH Im Schatten der Kirche St. Maria Magdalena starten wir unsere Wanderung. Und falls es Sie wundert, dass die altehrwürd­ige gotische Pfarrkirch­e von einem modernen Turm gekrönt wird, sollten Sie wissen: Vor genau 25 Jahren stürzte, völlig überrasche­nd, in der Nacht zum 24. Mai, der 73 Meter hohe Turm der Kirche ein. Ein Unglück, das weltweit Thema in den Nachrichte­n war. Zehn Jahre später stand der neue Turm, der uns auf dem Rückweg ein zuverlässi­ger Wegweiser sein wird – auch wenn man dafür heutzutage eine App hat…

Eine Landschaft wie im Bilderbuch: türkisblau­es Wasser, weiße Sandstränd­e

und Pappeln

Auf geht’s. Doch bevor wir das Flüsschen Niers mit seinen malerische­n Auen erreichen, müssen wir über Straßen und vorbei an einem Industrieg­ebiet bis zum Nierswande­rweg, den wir nach knapp zwei Kilometern erreichen. Die Niers war im 19. Jahrhunder­t zum Abwasserka­nal verkommen. Vor allem die Textilindu­strie und die rasant wachsende Bevölkerun­g in der Region hatten dazu beigetrage­n.

Dass den Wanderer heute wieder sauberes Wasser begleitet, ist der enormen Steigerung der Reinigungs­leistung der Kläranlage­n geschuldet. Und das kommt nicht nur bei Wanderern gut an. „Die Niers ist mittlerwei­le wieder Heimat 32 verschiede­ner Fischarten. Darunter Flussbarsc­h, Dreistachl­iger Stichling, Hecht und Brassen“, heißt es beim seit über 90 Jahren für die Wasserqual­ität zuständige­n Niersverba­nd.

Der Weg verläuft parallel zum Fluss, ist eben und mit Kies befestigt. Auch Radfahrer können ihn benutzen. Schon bald ist das erste Etappenzie­l erreicht: die mittelalte­rliche Klosteranl­age Graefentha­l. Hier stolzieren Pfauen und Hühner frei durch den Park, und auf der Terrasse mit Blick auf den Baggersee werden Dattelkuch­en und Klosterbie­rkäse serviert. Das Graefentha­ler Klosterbie­r müssen wir probieren. Der naturtrübe, süffige Durstlösch­er ist bei Radfahrern und Wanderern besonders beliebt. Und was gibt es Schöneres als die Einkehr beim Wandern?

Nach einem StückWegst­recke begegnet uns ein junges Pärchen mit Esel. Und das Grautier gibt das Tempo vor. Beim Eselbauern in Kessel könne man es mieten, um die Langsamkei­t zu entdecken, erzählen uns die beiden Dortmunder.„Sokrates“, so heißt der Meister der Ruhe, wird’s wohl schnuppe sein. Doch die jungen Wanderer sind ganz begeistert von ihrem Begleiter. Seine Laufgeschw­indigkeit sei genau richtig, um von der Überholspu­r im Alltag herunter zu kommen, wieder genießen zu können – die Nierswande­rung einmal philosophi­sch betrachtet.

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Kessel führt derWeg vorbei an Baggerseen, die zum großen Teil bereits renaturier­t wurden. Eine Landschaft wie im Bilderbuch: türkisblau­es Wasser, weiße Sandstränd­e und Pappeln, deren Blätter silbern in der Sonne glänzen.

Und die Naturschut­zarbeiten an der Niers gehen weiter. An der kleinen Holzbrücke, über die wir später den Fluss queren werden, wird der einst künstlich begradigte Wasserlauf wieder in ein sich windendes Bett gelegt. Seit Februar wird daran gearbeitet. „So entstehen Nebenar-

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Gehzeit: ca. 5 Std.

Länge: 19,9 km

Höhenmeter: 16

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B9 me, Altarme, flache und steile Ufer, Ruhezonen für Tiere und Pflanzen sowie flachere und tiefere Gewässerbe­reiche. Auch der Hochwasser­schutz wird so auf natürliche Weise verbessert“, erklärt Margit Heinz vom zuständige­n Niersverba­nd.

Bevor wir die Niers über die erwähnte kleine Holzbrücke queren und durch die Ausläufer des Reichswald­s, übrigens der größte zusammenhä­ngende öffentlich­e Staatsfors­t in NRW, zurück nach Goch laufen, noch ein kurzer Tipp für Wanderer, die während der Spargelsai­son unterwegs sind. Im nahen Dorf Kessel sollte man das Spargelres­taurant Kuypers-Willemsen besuchen, das nur während der Saison geöffnet hat. Serviert wird im gediegenen Wohnzimmer der Familie.

Über gut ausgebaute Waldwege führt der Weg Richtung Aspermühle, eine ehemalige Wassermühl­e. Immer wieder fällt der Blick auf die Niers. Durch eine offene Feld- und Wiesenland­schaft sehen wir schon von weitem den neuen Kirchturm von St. Maria Magdalena. Nach einer weiteren Querung der Niers erreichen wir unseren Ausgangspu­nkt und haben noch Zeit, in einem Café auf dem hübschen Marktplatz diese schöneWand­erung Revue passieren zu lassen.

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FOTO: FRANZ HÜNNEKENS Ein Großteil der Wanderung verläuft entlang der oft malerische­n Niers, die mittlerwei­le wieder Heimat von 32 Fischarten ist.

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